Monika Höfler
Der Mensch kommt in die Jahre. Der Partner auch!
Wenn ein Paar langsam älter wird, muss es lernen, mit eigenen - und den Beschwerden des anderen zurechtzukommen...
15.11.2010

Mist, der Rücken tut Inge furchtbar weh! Dabei wollte sie mit ihrem Mann Peter am Samstag zum ersten Mal seit Jahren wieder richtig schick tanzen gehen. Aber der Orthopäde verordnet ihr Bettruhe - und "Übungen". Der Überwurf beim Rock 'n' Roll ist damit leider ebenso wenig gemeint wie eine flotte Samba. Peter setzt sich missmutig vor den Fernseher. Ein paar Wochen später beuteln ihn heftige Magenschmerzen. Diesmal ist es Inge, die enttäuscht ist, weil sie eine einmalige Einladung zu einer Vernissage absagen soll.

Wenn ein Paar langsam älter wird, muss es lernen, mit eigenen und den Beschwerden des anderen zurechtzukommen. Schleichend macht sich bemerkbar, dass nicht mehr alles geht, was in jüngeren Jahren möglich war: unbeschwerte Tage und Nächte, in denen man durchgefeiert oder stundenlang bis zum Morgengrauen über Gott und die Welt debattiert hat. War es nicht erst vor kurzem, dass man auf einer Hochzeit bis in die Puppen twistete und lauthals "It's raining men" schmetterte?

Überhaupt: Kleine Malaisen steckte man früher doch einfach weg. Oder man legte sich einen Tag ins Bett und die Sache war auskuriert. Jetzt, mit der Sehnsucht nach vergangenen Tagen im Bauch, ist man gezwungen einzusehen: Ein Mensch braucht Schlaf und ist anfällig für richtige Krankheiten. Ungestraft bleibt man nicht mehr bis halb vier Uhr morgens auf: Augenschatten geben nächtliche Ausschweifungen preis; eine spritzige Brunnendurchquerung bringt einem garantiert eine Erkältung ein.

"Ich bin auch nicht mehr der, der ich einmal war"

Frauen attackieren dann gerne mal den Partner, weil er nicht mehr so fit ist, und vergessen, dass sie auch keine zwanzig mehr sind. Männer werden manchmal wehmütig. "Ich bin auch nicht mehr der, der ich einmal war", sagen sie und möchten das Gegenteil hören. Aber es stimmt ja: Mit Ende vierzig, Anfang fünfzig ist man nicht mehr der junge Spund, der sich topfit ins Leben gestürzt hat.

Widerspricht man solchem Lamento, dann schwindelt man nicht bloß. Man ist gezwungen, eigene Emotionen zurückzuhalten, nicht mehr zu sagen, dass man darunter leidet, wenn der abendliche Ausgang flachfällt oder wieder eine Verabredung wegen eines größeren Wehwehchens abgesagt werden muss. Das verstellt die Kommunikation, führt zu unehrlichen Gesprächen. Letztlich weiß keiner mehr, wie er mit dem anderen dran ist.

Miteinander älter werden verlangt einem einiges ab. Es braucht Respekt davor, dass der Partner, die Partnerin Falten und graue Haare bekommt, nicht mehr so elastisch und straff ist, sich auch körperlich wandelt. Man braucht die Fähigkeit, liebevoll mit sich und dem anderen umzugehen, wenn es zwickt und zwackt, schlimmer: wenn echtes Leiden einen brutal am Wickel hat und gemeinsame Träume sich im Kampf ums Überleben verlieren.

Und es braucht Freiheit - damit der eine auch ohne den anderen etwas unternimmt und die zwei sich nicht immer mehr abwechselnd "betreuen". Es braucht Geduld, weil man selbst und der Partner erst allmählich erleben, erfahren muss, dass, biblisch gesprochen, alles im Leben seine Zeit und damit, wie die Jugend auch, ein Ende hat. Das ist gar nicht so leicht zu begreifen, schwer, sich selber und dem anderen zuzugestehen.

Aber solche Mühe lohnt sich, denn was ist schöner als zärtliche Vertrautheit, bei der nichts schamhaft verborgen werden muss. Eine Vertrautheit, die Wunden und Narben, Glatzen, kleine Bäuche oder schwaches Bindegewebe mit einschließt - weil man erkennt, dass das alles zu dem wunderbarsten Menschen gehört, dem man je begegnet ist.

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