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In meinen Kinderzeiten hatte man sich zu bedanken. Pflichtschuldig setzte ich mich regelmäßig an den Tisch und schrieb in Sonntagschrift einen Brief an Oma, Tante oder Onkel. Der hatte den klassischen Wortlaut: "Vielen Dank für Dein schönes Geschenk. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Wie geht es Dir? Mir geht es gut." Gelegentlich konnte man ergänzen, wie das Wetter ist und weshalb man sich über das Geschenk sehr gefreut hat weil man sich angeblich immer schon ein Taschentuch mit gehäkeltem Spitzenrand gewünscht hatte oder ein Buch, dem die Moral aus den Seiten trieft. Meine Dankesschreiben, weil erzwungen, fielen auch bei tollen Geschenken ähnlich leidenschaftslos aus.
Ich bin dafür, Dank nicht einzufordern
Ich bin aus Gründen der Aufrichtigkeit dafür, Dank nicht einzufordern. Wer den Hausputz erledigt oder Altglas wegfährt und ein Danke erwartet, der muss sich fragen, warum er das Ganze getan hat. Weil es nötig war und man selbst jetzt eigentlich hochzufrieden über Glanz und Ordnung ist? Oder weil man endlich einmal wahrgenommen werden möchte mit allem, was man tut? Diese Unterscheidung ist dringend nötig. Denn im ersten Fall freut man sich zu Recht über ein ehrliches "Danke". Andere finden es also auch herrlich, dass wieder alles pikobello ist - wunderbar! Falls sie es gar nicht bemerken, dann macht das nichts, weil man die ganze Unternehmung ja für die eigene Zufriedenheit ausgeführt hat.
Wer Lust hat, sich mitzuteilen, kann sagen: "Ich habe heute den Keller aufgeräumt. Es war eine Menge Arbeit, aber mir hat's richtig gut getan." Solche Sätze setzen nicht unter Druck. Der andere kann sich in aller Freiheit freuen und bedanken. Wer sich übersehen, mit seinen Leistungen gar missachtet fühlt, der sollte Klartext reden. Es hat keinen Sinn, dem Partner, der Partnerin irgendwelche mysteriösen Zeichen zu geben, die sie nicht verstehen oder falsch interpretieren können. Man muss deutlich sagen, wenn nach eigener Ansicht alle oder zu viele Lasten auf den eigenen Schultern ruhen - einfach weiterwerkeln und darauf hoffen, dass der andere schon merken wird, was los ist, bedeutet meist vergebliche Liebesmüh'.
Überraschend ist dagegen oft die Reaktion, wenn man zu Hause oder im Büro freundlich erklärt: "Mir ist mein Anteil zu viel, ich schaff' das nicht." Gelegentlich stellt sich heraus, dass andere einem freudig etwas abnehmen, den Telefondienst etwa oder das Holen der Post, weil sie das schon längst gerne gemacht hätten. Ganz unter uns: Was einen manchmal daran hindert, so offen zu reden, ist der "Vorteil", den man vom Schweigen hat. Man fühlt sich gut, weil man so viel leistet und leidet - und kann anderen noch Vorwürfe für ihr Unverständnis und ihre Faulheit machen. Mit Entschuldigungen ist es ähnlich. Sie einzuklagen, ist wenig geistvoll. Das Gegenüber verweigert sie im schlimmsten Fall, dann steht man dumm da.
Sich aus freien Stücken entschuldigen
Es kann auch sein, dass er oder sie wider bessere Einsicht sich entschuldigt, um des lieben Friedens willen. Davon hat man nichts. Hat ein Kollege, die Freundin oder der Partner einen verletzt, sollte man den anderen Anteil an den eigenen Gefühlen geben. Manchmal braucht es ein bisschen Zeit, um in sich hineinzuspüren und in Worte fassen zu können, was einen genau gekränkt hat. Dann hat der andere die Chance zu verstehen, was passiert ist, kann noch einmal in aller Ruhe seine Sicht der Dinge erklären und irgendwann, wenn er will, sich aus freien Stücken entschuldigen.
Übrigens: Vielen Dank, dass Sie bis hierher gelesen haben. Das freut mich wirklich.