Und wenn nicht?
15.11.2010

In einem Sketch des bayerischen Komikers Michael Mittermeier sitzt eine Frau neben ihrem Liebsten, sie schauen einen Actionfilm an. Mittermeier spielt beide Rollen: den Mann, der bei jedem Autocrash und Schusswechsel mitgeht, und die Frau, die sich immer mehr langweilt. "Blöd", sagt sie irgendwann. "Blöhöd." Ihr Missfallen steigert sich schließlich zu "blöd, blöd, blöd, blöd, blöhöd" ­ was ihm den Spaß am Film so richtig verdirbt. Ich kenne kaum ein Paar, das nicht darüber gelacht hätte. Warum? Ganz einfach: Weil jeder, der seinen Partner von Herzen liebt, das schon mal erlebt hat ­ man macht dem anderen zuliebe etwas mit, was man selber eigentlich gar nicht mag. Natürlich verzieht man keine Miene ­ aber irgendwann ist Schluss mit der Selbstverleugnung. Und dann wird umso deutlicher, dass man Bruce Willis nicht leiden kann oder dass man nun wirklich lieber Bach statt AC/DC oder Eminem hört.

Nicht immer "gesellt sich Gleiches zu Gleichem"

Es kann durchaus passieren, dass sich Menschen mit so unterschiedlichem Geschmack finden. Nicht immer "gesellt sich Gleiches zu Gleichem", wie es schon beim Philosophen Plato heißt. Auch Gegensätze ziehen sich an. Man verliebt sich gern in einen Menschen, der einem eben nicht aufs Haar gleicht ­ das bringt Spannung mit sich, ein erotisches Prickeln, die Faszination des Andersseins, die eine Beziehung nicht nur am Leben erhält, sondern sie auch über Jahrzehnte hinweg beflügelt. Trotzdem kann es nerven, wenn der andere bei "Desperate Housewives" einschläft. Man selbst kann dafür rachsüchtig und angeödet zugleich in einem Reisekatalog blättern, sobald sich der Partner bei der hundertsten Wiederholung der "Bill Cosby Show" vor Lachen biegt.

"Nun haben wir sie", soll der Reformator Luther recht pragmatisch gesagt haben, "nun müssen wir sie auch lieben." Sie, die Männer und Frauen an der eigenen Seite, schon. Aber ihre Hobbys auch? Es ist aufregend, die Vorlieben des geliebten Wesens kennen zu lernen und dadurch den eigenen Horizont zu erweitern. Wer bislang die italienische Küche als Höhepunkt der Esskultur feierte, ist vielleicht begeistert über die Kochkünste, die der Partner aus Thailand mitgebracht hat. Und ein Mann, der jede Orchideensorte beim Namen kennt, kann die versierte Theatergängerin durchaus entzücken.

Die Hobbys des anderen können inspirieren und anregen

Es macht einen Teil der Attraktivität aus, dass der Partner Dinge denkt, weiß und kann, die einem bisher noch nicht begegnet sind oder von denen man selbst wenig bis nichts versteht. Manchmal kostet es aber auch eine Menge Arbeit, sich auf die Vorlieben des anderen einzustellen. Sie geht dann ihm zuliebe ins Museum und lässt sich Joseph Beuys erklären, obwohl sie lieber Karate- übungen machen würde. Die Hobbys des anderen können inspirieren und anregen ­ und sie können einem die Mühe abverlangen, Kompromisse zu schließen, um die Beziehung zu erhalten.

Schwierig wird es, wenn man die eigenen Interessen dem anderen gänzlich opfert. Der Kommentar "blöd" ist dann noch das Harmloseste, was irgendwann gesagt wird. Wenn sie eine passionierte Partylöwin und er am liebsten zu Hause ist, aber immer mit ihr von einer Fete zur anderen zieht, dann kracht's irgendwann. Geht er für sein Leben gerne in die Oper und gibt für zwei Karten sündhaft viel Geld aus, wird die Partnerin das auf Dauer nicht hinnehmen, wenn sie eigentlich viel lieber in kleinen Jazzkneipen für wenig Eintritt neuen Bands zuhören würde. Man muss nicht jeden Samstag mit dem Freund auf den Fußballplatz ziehen, wenn man ein Bücherfreak ist ­ einmal im Monat könnte reichen, wenn er dafür auch mal zu Hause bleibt. Jeder Mensch braucht eigene Hobbys, braucht den Freiraum, um ihnen zu frönen. Aber der andere muss nicht alles mitmachen; und man selber sollte gelegentlich ein Zeichen geben, dass einem der oder die Liebste einen Verzicht wert ist.

Denn eine Soll-Bruchstelle hat eine Partnerschaft dann, wenn das Hobby des einen dessen ganzes Sinnen und Trachten in Anspruch nimmt. Wer einen Menschen an der Seite hat, der in jeder freien Minute ins Fitness-Studio stürmt, hat es genauso schwer wie der Technikverweigerer, der mit einem Computerfan verbandelt ist, oder der Gatte einer Frau, die unbarmherzig die ganze Familie für ihr Engagement in der Kirchengemeinde einspannt. Bestimmen Hobbys die gesamte Freizeit, verlangen sie totale Unterwerfung ­ dann ist das meist der Anfang vom Ende einer Beziehung.

Vorlieben des anderen sind nur dann interessant und bereichernd, wenn sie Raum lassen für jeden Einzelnen, für seine Talente und ihre Begabungen ­ und darüber hinaus für gemeinsame Unternehmungen. Es ist Zeit füreinander nötig, Zeit, in der man miteinander die Welt betrachtet und erobert. Warum also nicht demnächst zusammen bei der Fußball-WM mitfiebern, selbst wenn man mit Kicken nichts am Hut hat, und anschließend "We are the Champions" von Queen auflegen ­ auch für den Fall, dass man Klassikfan ist? Danach kann sie ja wieder ihren Mozart hören und er getrost seine Yoga-Übungen machen.

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