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Da steht eine junge Frau, mit ihrem einjährigen Sohn im Arm, vor Mikrofonen und Fernsehkameras und bekennt etwas sehr Persönliches. Es ist ein vom Fernsehen aus Dresden übertragener Gottesdienst. In ihrem Statement sagt sie: "Ich bin zum Glauben aufgebrochen. Nach vielen Jahren war nämlich in mir der Wunsch gewachsen, endlich ganz zur Kirche zu gehören." Als Kind sei sie zwar getauft, aber überhaupt nicht religiös erzogen worden. "Das habe ich immer als Lücke in mir gefühlt", sagt sie. Zweifel hatte sie, und wenn überhaupt, betete sie im Stillen, "vor allem dann, wenn es das Leben besonders hart mit mir meinte".
Dann kam ihr Sohn Marwin. Und es stand für sie fest, dass sie ihn religiös erziehen will. Warum? "Von klein auf sollte er von guten Mächten geborgen heranwachsen können", sagt die Mutter. Sie nahm an einem Kurs "Religion für Neugierige" teil, ließ sich in einer Osternacht konfirmieren. Heute sagt sie: "Über diese Entwicklung bin ich sehr froh, weil sie mir viele wunderbare Begegnungen und Überraschungen beschert hat. Ich bin auf dem Weg, der für mein Leben gut ist."
Mich hat dieses Bekenntnis, erst recht vor dieser großen Öffentlichkeit, berührt: Mein Sohn soll von klein auf von guten Mächten wissen und deswegen mache ich einen Glaubenskurs. Unsere Kirchen unternehmen sehr viele Anstrengungen, um Eltern zu helfen, ihre Kinder mit Gott groß werden zu lassen. Diesem Ziel dienen Kindergottesdienste wie die Arbeit in Kindergärten, biblische Lesefibeln wie die Kinderchöre in den Gemeinden. Es wird viel unternommen, um den klassischen Ort der Glaubensweitergabe - die Familie - zu stärken.
Religiöse Erziehung: nicht mehr nur die Domäne der Familie
Gott sei Dank, gibt es immer noch viele Familien in Deutschland, die ganz selbstverständlich ihre Kinder mit Gottes Gegenwart aufwachsen lassen, werden viele Kinder abends von Paul-Gerhardt-Liedern und Dankgebeten umhüllt, gehen morgens nicht ohne Segenswort aus dem Haus und beginnen das gemeinsame Essen mit einem Gebet. Gott sei Dank, ist das so, denn die Kirchen können solche familiäre Frömmigkeit nicht ersetzen. Als Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands hatte ich mir aus gutem Grund das Thema Familie als Jahresthema gesetzt.
Aber nüchtern müssen wir auch sagen: Die Familie als Ort der Glaubensweitergabe an die nächste Generation ist auch geschwächt. Immer mehr Eltern trauen sich eine religiöse Erziehung ihrer Kinder nicht zu, oft weil sie sie selbst nie kennengelernt haben. Darum sind zunehmend noch andere Orte zum Einüben des Glaubens wichtig.
Die junge Frau in Dresden erzählt von ihren Entdeckungen in einem Glaubenskurs, andere erzählen von bestärkenden Erfahrungen in einem Chor. Manche beeindruckt das Engagement einer Gemeinde für Arme und sozial Ausgegrenzte, und wieder andere hören Gottes Wort im Gottesdienst und lassen sich von ihm berühren. Es gibt sehr viele und unterschiedliche Wege zum Glauben. Und sie sind keineswegs daran gebunden, dass sie in der Kindheit grundgelegt sind.
Ich möchte deutlich machen: Es ist wichtig, auch neue und ungewohnte Orte der Begegnung mit dem Glauben zu fördern, damit Menschen ermutigt werden, Gott zu entdecken. Warum sollten nicht auch eine "Kirche auf dem Campingplatz", eine Gruppe auf einem Pilgerweg oder in einem Kloster auf Zeit vertiefende Angebote wie die Glaubenskurse kennenlernen? Ob die Kirchen hier schon alle Kreativität und allen Einfallsreichtum umgesetzt haben?