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Aids - das ist kein Thema, dem ich meine besondere Aufmerksamkeit schenken muss. So dachte ich jedenfalls bis vor kurzem. Bis ich durch zwei Erlebnisse eines Besseren, eigentlich eines Schlechteren, belehrt wurde.
In Tansania sterben viele junge Menschen
"Das sind meine drei Kinder! ", erklärte mir die elegante Dame, die mich bei meinem Besuch im vergangenen Herbst in Daressalam zum Mittagessen in ihre beeindruckende Villa eingeladen hatte. Dabei deutete sie auf drei Fotos. Darauf waren zwei junge Männer und eine junge Frau zu sehen. "Der Mittlere ist vor zwei Jahren gestorben! ", sagte sie. Betroffen bekundete ich mein Beileid und schwieg. Nach der Todesursache zu fragen, traute ich mich nicht, wissend, dass in Tansania viele junge Menschen sterben, die meisten entweder durch einen Verkehrsunfall oder an Aids. Zwar wird inzwischen in vielen Ländern Afrikas besser über Aids aufgeklärt als noch vor einigen Jahren. Dennoch sind die Scham und die Scheu, darüber zu sprechen, immer noch sehr groß.
Vor drei Monaten besuchte ich eine Aidsberatungsstelle. Und war regelrecht erschüttert über das, was ich dort geschildert bekam. Zugegeben, im vergangenen Jahrzehnt hat sich vieles zum Positiv en verändert. Ein zwanzigjähriger HIV-Infizierter hatte damals trotz Therapie nur eine durchschnittliche Lebenserwartung von etwa 24 Jahren. Wenn dagegen heute bei einem Zwanzigjährigen die Erkrankung festgestellt wird, hat er, richtig therapiert, eine durchschnittliche Lebenserwartung von mehr als 33 Jahren.
Wenige bringen den Mut auf, Aidskranken ungezwungen gegenüberzutreten
Tief berührt haben mich jedoch die Schilderungen von Betroffenen. Ihr Leben ist in mehrfacher Hinsicht extrem belastet: durch die Spezialmedikamente und die damit verbundene Dauerkonfrontation mit Leiden und Tod, aber auch dadurch, dass sie sich in ihrer beklemmenden Situation kaum jemandem wirklich anvertrauen können. Viele Menschen in ihrer Umgebung wenden sich von ihnen ab, wenn sie von der Krankheit erfahren. Nur wenige bringen offenbar den Mut auf, den Aidskranken ungezwungen gegenüberzutreten.
Auch heute, da Aidskranke in Deutschland - Gott und der Medizin sei Dank - länger leben können, ist die soziale Seite dieses Problems nicht gelöst: dass Menschen davor zurückschrecken, mit Aidskranken in Berührung zu kommen. Zum einen hat das wohl damit zu tun, dass viele Menschen nicht an schlimme Krankheiten und Tod erinnert werden wollen. Und sie haben Ängste, mit Menschen zu reden, die einen schweren Schicksalsschlag erlitten haben.
Zum andern aber hat es sicherlich auch damit zu tun, dass sie immer noch von einer irrigen Vorstellung geleitet sind: An Aids erkrankte Menschen gehörten ausschließlich sogenannten Risikogruppen an, seien also homosexuell oder Menschen mit vielen wechselnden Sexualpartnern.
Gedemütigt durch die Haltung der "Gesunden"
Da es für sie unvorstellbar ist, dass sie sich selbst mit dem HI-Virus infizieren könnten, wollen sie auch nichts mit Aidskranken zu tun haben. Die Aidskranken wiederum empfinden das als Anklage gegen sich. Sie fühlen sich, das haben einige mir deutlich gesagt, gedemütigt durch die Haltung der "Gesunden".
Jesus ist gerade zu den Kranken gegangen, weil er wusste, dass diese ihn besonders brauchen. Als Nachfolger dieses Jesus können wir uns daran ein Beispiel nehmen, auch im Blick auf die Menschen, die an Aids erkrankt sind. Im normalen Umgang mit ihnen steckt man sich nicht an. Die Aidskranken und ihre Verwandten wollen von uns als ganz normale Menschen behandelt werden und nicht wie Aussätzige.