Johannes Friedrich (Foto vom 18.06.2013)
epd-bild/Diane Mayer
Über eine Organspende kann man kaum für einen anderen entscheiden
Am besten man entscheidet selbst ­- rechtzeitig.

Die Nachricht kommt aus heiterem Himmel. Verkehrsunfall. Der Partner ist schwer verunglückt. Rettungstransport ins Krankenhaus, die Ärzte ringen um das Leben des Patienten. Die Ehefrau hastet zum Operationssaal, wartet, zittert, hofft das Beste und fürchtet das Schlimmste. Nach unendlichen Stunden der Ungewissheit dann das niederschmetternde Ergebnis: Der Schwerverletzte konnte nicht gerettet werden. Herr B. ist tot. Genauer: hirntot. Unter Schock stehend nimmt Frau B. die Todesnachricht entgegen.

"Hat Ihr Mann einen Organspendeausweis?"

Man bemüht sich um Frau B., bleibt bei ihr, beruhigt sie, soweit es möglich ist. Dann die für Frau B. völlig unerwartete Frage: "Hat Ihr Mann einen Organspendeausweis?" Frau B. weiß nichts davon, verneint. Man klärt Frau B. auf, sagt ihr, dass einige Organe ihres Mannes noch gut funktionsfähig seien. Würde man sie verpflanzen, könnte man Leben retten. Dazu aber ist die stellvertretende Zustimmung der nächsten Angehörigen nötig. Unvermeidlich dann die Folgefrage: "Würden Sie der Organspende Ihres Mannes zustimmen?"

Wie würden Sie entscheiden, liebe Leserin, lieber Leser? Was mich betrifft: Ich weiß es nicht. Eine solch schwierige Frage stellvertretend für jemand anderen zu entscheiden, erscheint mir fast unmöglich. Aus der Seelsorge wissen wir, dass Menschen, die für ihre Angehörigen über eine Organspende entscheiden mussten, oft Jahre später noch ­ oder auch erst dann ­ von Schuldgefühlen geplagt werden. Schuldgefühle, weil sie nicht wissen konnten, ob sie tatsächlich im Sinne des Angehörigen entschieden haben.

Schuldgefühle sind vorprogrammiert

Diese Schuldgefühle treten übrigens unabhängig davon auf, ob der Angehörige sich letztlich für oder gegen die Organtransplantation entschieden hat. Denn die Frage, ob die Entscheidung dem Willen des Patienten entsprochen hat, kann sich so oder so stellen.

Um seinen eigenen Angehörigen dieses Dilemma zu ersparen, gibt es nur eine Möglichkeit: Man muss für sich selbst entscheiden, wie im Falle des Hirntodes verfahren werden soll. Organe können Leben retten. Viele Schwerkranke warten dringend auf ein neues Organ, es gibt lange Wartelisten. Jährlich versterben Tausende, weil nicht genügend Spenderorgane zur Verfügung stehen. Weil der Hirntod unumkehrbar zum Absterben des gesamten Organismus führt, gilt er als sicheres Todeszeichen. Die Freigabe der eigenen Organe zur Transplantation kann ein Akt der Nächstenliebe sein.

Entscheidung selbst treffen

Diese Entscheidung sollte man aber selbst treffen, am besten nach Rücksprache mit den engsten Angehörigen. Jeder und jede hat die Möglichkeit, einen Organspendeausweis auszufüllen: eine kleine Karte, auf der man genau angeben kann, welche Organe man im Falle des Hirntodes spenden würde ­ und welche nicht. Auf den neueren Ausweisen hat man im Übrigen auch die Möglichkeit zu erklären, dass man als Organspender nicht zur Verfügung steht. Wer seine Einstellung zur Organspende ändert, beschafft sich einen neuen Ausweis. Das ist ganz einfach. Einen Organspendeausweis auszufüllen und mit sich zu führen, schafft Klarheit. Für sich selbst und für diejenigen, die im Zweifelsfall über eine Spendebereitschaft entscheiden müssten. Organe können Leben retten. Entscheiden Sie selbst darüber!

Informationen zur Organspende und Spenderausweise erhalten Sie bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.organspende-kampagne.de

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