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Es war eine Provokation mit religiösem Hintersinn. Ausgerechnet bei der Wiedereröffnung des Berliner Doms sagte der damalige Präses der rheinischen Landeskirche, Peter Beier: "Gottes Wort braucht keine Dome." Die wunderbar restaurierte Kirche war voller Prominenz und die staunte nicht schlecht über diese Worte. Der Popularität des Doms war diese evangelische Provokation nicht im geringsten abträglich. Er ist heute ein Anziehungspunkt für Besucher von Gottesdiensten, Ausstellungen und Konzerten. Der Kirchenraum öffnet den Blick und weitet das Herz.
"Gottes Wort braucht keine Dome."
In vielen Citykirchen und Domen ermöglichen Kirchenpädagogen den Besuchern ganz neue Raumerfahrungen. Mancherorts schlagen Jugendgruppen in Kirchen sogar ihr Matratzenlager auf und übernachten unter dem hohem Kirchengewölbe. Kinder messen mit ihren Schritten aus, wie weit der Weg vom Eingang zum Altar ist, und sie zünden Kerzen an. Die Wiederentdeckung des Kirchenraums scheint Beiers provozierenden Satz Lügen zu strafen. Mag Gott auf Tempel verzichten können, mag Gottes Sohn die Fischerboote und Krankenlager vorgezogen haben, um den Menschen zu begegnen wir brauchen ein Bethaus zwischen all den Räuberhöhlen unserer Tage.
Umso trauriger, dass die kirchliche Finanzlage immer öfter dazu zwingt, Kirchengebäude zu verkaufen. In den benachbarten Niederlanden nutzen schon viele Restaurants und Ladenketten die alte Bausubstanz für Verkaufszwecke. In Mönchengladbach kann man sogar in einer Kirche wohnen. Und in Berlin steht das hoch verschuldete katholische Erzbistum vor dem ersten Kirchenverkauf im laufenden Sanierungsverfahren. Das Grundstück soll mit Pfarrhaus und Nebengebäuden an eine Wohnungsbaugesellschaft veräußert werden und bald einem Senioren- und Pflegeheim Platz bieten. Eine sinnvolle Nutzung angesichts der Pflegebedürftigkeit von immer mehr alten Menschen. Denn die Kirche muss bei den Menschen bleiben. Wo einer dem anderen hilft, kommt Gottes Wort zur Sache. In leer stehenden Kirchen hingegen erreicht es niemanden.
In London, wo die Kirchen schon länger an den gesellschaftlichen Rand gedrängt und so manche Kirchengebäude umgewidmet oder verkauft wurden, konnte man schon vor zehn Jahren spüren, wie provozierend eine zugenagelte Kirche sein kann. Im Londoner Eastend, wo Hafenarbeiter aus dem ganzen Commonwealth ihr Auskommen fristen, wo wenig Gelegenheit zum Einkaufen, zu Restaurant- und Diskobesuchen ist und wo die Leute, vom Leben durchgeschüttelt, nicht gerade fromm und schon gar keine Kirchgänger sind: Da hatte der Bischof die leere Kirche schließen lassen. Doch niemand hatte damit gerechnet, dass sich eine Bürgerinitiative dagegen bildete. Nun stritten die Leute um ihre Kirche, um dieses Haus, in dem sie getauft und getraut worden waren. Hartnäckig kämpften sie um diese Bänke, auf denen sie gekniet hatten. Um den Altar, an dem sie ihre Sorgen vor Gott getragen hatten um diesen gemeinschaftlichen Geist, der fast schon vergessen schien.
Gott braucht Menschen.
Jede dritte Kirche ist finanziell nur noch Klotz am Bein, heißt es. Gut, sich daran zu erinnern, dass "Gottes Wort keine Dome braucht". Gott braucht Menschen. Der Glaube aber braucht Orte, wo spürbar wird, was trägt und was hält. Sind es die Türme der Banken, der Versicherungen? Wohl eher das Gästehaus der Stadtmission in Berlin, wo auch Obdachlose wie Gäste behandelt werden. Und eben der Dom wenn er offen ist für jedermann. Die Steine allein richten noch nichts aus.