Steffen Roth
Vertrauenswürdig sind Menschen nicht nur, wenn es die Schufa meint. Wirkliches Vertrauen reicht viel weiter
Evelyn Dragan
19.02.2014

Meine jüngste Tochter wollte eine Wohnung anmieten. Sie selbst ist in Ausbildung, nicht kreditwürdig. Also muss die Mutter her als Garantin und braucht eine Schufa-Auskunft. „Wir schaffen Vertrauen“ steht auf der Homepage der „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“. Ich war überrascht, was in der Auskunft dann alles zu finden war. Ehemalige Kreditkarten, ein alter, längst zurückgezahlter Klein­kredit etwa. Zum Glück wurde mir eine ­hohe Bonitätsstufe ausgestellt, aber verblüfft war ich doch. Die NSA liest (vielleicht) meine Mails, aber die Schufa hat jede Menge Daten über mein Einkaufsverhalten und meine Finanzen.

Nun hat eine Frau geklagt, die ein Auto leasen wollte – der Händler lehnte ab. Die Schufa hatte ihr eine niedrige Bonitätsrate bescheinigt und sie wollte wissen, warum. Der Bundesgerichtshof wies die Klage der Frau ab, sie erhielt keine Auskunft über die Hintergründe der Beurteilung. Warum dürfen wir nicht wissen, wie unsere „Bonität“ beurteilt wird? Die Schufa hat Daten von 66 Millionen Menschen gespeichert. Handelsunternehmen und Banken, die oft selbst Aktionäre der Schufa sind, liefern sie. Warum regt sich darüber niemand auf? Weil jeder froh ist, dem eine „gute Bonität“ bescheinigt wird, und jede beschämt ist, deren „Bonität“ als „schlecht“ angesehen wird? Was heißt das eigentlich? Beispielsweise hat jemand einen besseren „Score“, der Schulden gemacht hat und regelmäßig bezahlt, als eine Person, die erstmals im Leben einen Kredit aufnimmt.

"Ohne Schufe keine Party"

Mir geht es hier nicht grundsätzlich um den Sinn einer Bonitätsprüfung, sondern um die Begriffe Vertrauen und Schutz. Vertrauen entsteht nicht über Geld. Wenn ich weiß, dass der andere mal in Zahlungsschwierigkeiten war, sagt das doch nichts über mein Vertrauen in ihn aus. Und wer wird hier geschützt? Am Ende Versandhandelshäuser, die werben mit Slogans wie: „Heute bestellen, in drei Monaten bezahlen“ und die Menschen so in Versuchung führen, über ihre Verhältnisse zu leben. Wie soll jemand mit einem äußerst geringen Einkommen je Party machen können? Denn auch das steht auf der Schufa-Homepage: „Ohne Schufa keine Party“. „Sie wollen die Wohnung? Der Vermieter möchte Sicherheit!“ Wenn Sie die Wohnung bekämen, läge es vielleicht auch daran, „dass Sie mit der Schufa-Bonitätsauskunft von Ihrer finanziellen Vertrauenswürdigkeit überzeugt haben“.

Die Schufa kann mich aber nicht von der grundsätzlichen Vertrauenswürdigkeit eines Menschen überzeugen. Ich möchte einem Menschen vertrauen können, selbst wenn er mal Fehler gemacht hat. Vor eini­ger Zeit habe ich einer jungen Frau Geld ge­liehen, die in einer schwierigen Situation war. Sie hat alles darangesetzt, mich nicht zu enttäuschen. Da geht es um Be­ziehungen, nicht um Daten.

Im Hebräerbrief heißt es (10,35): „Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ Gewiss, im Text geht es zuallererst um Gottvertrauen. Aber das spiegelt sich auch im gegenseitigen Vertrauen von Menschen – und auch in der Bereitschaft, ihnen auf direktem Weg zu helfen, finanziell und auf andere Weise. Ich möchte gern in einer Gesellschaft leben, wo ich Menschen vertraue und ihnen etwas zutraue. Der jungen Frau, die nicht viel verdient, aber gern die Wohnung mieten ­würde. Dem Mann, der mal in Schwierigkeiten war, inzwischen aber längst neu angefangen hat. Der Frau, der ich Geld leihe, weil ich darauf vertraue, dass sie mit diesen Pfunden zu wuchern versucht. Direkte Hilfe: Sie hat viel mit Vertrauen und auch mit Freiheit zu tun. Sie macht sich nicht zuletzt frei von der Sammelwut von Schufa, NSA oder sonst wem.

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