Evelyn Dragan
29.04.2011
Sexagesimae
Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht – er weiß nicht, wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht
Markus 4,26-29

Alle wollen heute „gestalten“. Menschen wollen kreativ sein, etwas ­machen, „Macher“ sein. Da ist ein enormer Druck, der für viele zum Burn-out-Syndrom führt – sie können nicht mehr entspannen, stehen ständig unter Strom. Das kann beruflich so sein, aber auch privat mit Blick auf Familie oder Sport. Es gibt Gestaltungsdruck in Vereinen und auch in Kirchengemeinden. Schaffen, innovativ und erfolgreich sein...

Gottes Reich kommt ganz anders, sagt Jesus in diesem Gleichnis, das nur Markus kennt. Es wächst mitten unter uns. Einfach so. Wir können eigentlich gar nichts tun. Einerseits finde ich das enttäuschend. In unseren Kirchen geht es doch stets um Verbesserung der Strukturen, besonders gute Gottesdienste, bewegende Kirchenmusik, Seelsorge und Sozialarbeit, die etwas beitragen zur Glaubwürdigkeit christlicher Existenz. Wir wollen doch etwas verändern in der Welt, für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung ein­treten, als Christen mitarbeiten am Reich Gottes in dieser Welt.

Das Reich Gottes wächst schon längst. Ganz ohne unser Zutun

Zum anderen ist dieser Gedanke aber auch entlastend. Nichts, was wir tun, und damit auch nichts, worin wir versagen und was wir versäumen, wird Gottes Reich herbeiführen oder auch verhindern. Es ist nicht unsere Leistung und nicht unser Scheitern, sondern allein Gottes Sache. Das kann natürlich keine Aufforderung zum „schöner Scheitern“ sein. Dazu neigt der Protestantismus ja manchmal: Es wird schon, lass mal, wir sind halt allzumal ­Sünder. Die Schriftstellerin Katherine Mansfield schrieb in ihr Tagebuch: „Wenn wir anfangen, unser Versagen nicht mehr so ernst zu nehmen, so heißt das, dass wir es nicht mehr fürchten.“

Es geht darum, die Balance zu schaffen. Das Reich Gottes wächst schon längst. Ganz ohne unser Zutun. Wir dürfen darauf vertrauen. Der Samen ist gelegt und wird aufgehen. Und doch wollen wir mitwirken, unser Bestes geben. Denn scheitern können wir ja nur, wenn wir vorher den Mut hatten, etwas anzufangen, zu wagen, zu riskieren, uns einzubringen.

Die ersten Christinnen und Christen lebten in einer Naherwartung. Sie glaubten, dass der Auferstandene noch zu ihren Leb­zeiten wiederkommen und die „Erntezeit“ anbrechen würde. Deshalb kam es ihnen darauf an, sich klar und entschieden da­rauf vor­zubereiten. Als aber die ersten starben, gab es Erklärungsnot: Wann kommt das Reich Gottes? Nach fast 2000 Jahren hat sich die Christenheit in der Fernerwartung eingerichtet oder die Erwartung ganz zu den Akten gelegt. Wer glaubt noch, dass Christus kommt? Jeden Sonntag wird im Glaubensbekenntnis in den Kirchen der Welt bekannt: „Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Aber ist das unsere Lebenshaltung? Hoffen wir noch auf diese „Erntezeit“? Oder haben wir uns nicht ganz gut eingerichtet in ­dieser Welt mit all ihren Mängeln? Und Gottes Reich kann noch etwas warten?

Zuversicht ist eine große innere Kraft

Der Theologe Peter Dschulnigg sagt in seinem Kommentar zum Markusevange­lium, es gehe um „hoffende Zuversicht“. Ein sehr schöner Begriff, der die Spannung gut ausdrückt. Es geht nicht um billige Hoffnung, sondern um das Gottvertrauen, dass unser Leben Sinn macht, dass wir gehalten sind, im Leben und im Sterben. Hoffende Zuversicht setzt als Glaubens­haltung Hoffnung in Kreativität um, wird aktiv in aller Demut und allem Wissen um die eigenen Grenzen.

Es ist leicht, pessimistisch zu sein, den Teufel an die Wand zu malen. Zuversicht ist eine große innere Kraft. Welch eine Zuversicht, dass aus dem – nach weltlichen Kategorien – „kleinen“ Anfang im Leben Jesu eine ­solche, weltweite Kraft entstehen kann. Sein Leben, dieses in die Erde gesetzte ­Samenkorn, war zunächst noch ohne Bedeutung: ein Kind in Armut geboren, ein Mann mit Freunden, die eher nicht vorzeigbar sind, sein tragisches Ende.

Und doch wächst und wächst da etwas – ein Glaube, eine neue Sicht des Lebens und der Welt, die nicht von Menschen gesteuert werden. Es geht um die Kraft der Hoffnung, die Menschen in aller Welt Zuversicht gibt zum Gottvertrauen, Beten, Leben und Handeln.

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