Reaktionen aufs Hochwasser
Politische Heuchelei
Politiker wie Markus Söder blicken nun mit trauriger Miene auf die Fluten. Dabei lassen sie keine Gelegenheit aus, den Menschen weiszumachen, dass alles so bleiben kann, wie es war. Sie sollten es besser wissen
Markus Söder (CSU), Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, verschafft sich einen Überblick zur Hochwasserlage an einer überfluteten Straße nahe der Donaubrücke
Politik in Gummistiefeln: Markus Söder an der Donau, wo sie sonst nicht fließt
picture alliance/dpa/Matthias Balk
Tim Wegner
03.06.2024
3Min

Die Flut im Ahrtal 2021, die Dürre in Deutschland 2023, die Ostseeflut im Dezember 2023, das Hochwasser im Norden zum Jahreswechsel, Überschwemmungen im Saarland vor wenigen Wochen und nun die Fluten in Bayern und Baden-Württemberg ... Es ist frustrierend, nach Wetterextremen immer wieder die gleichen Formulierungen zu bemühen: Es ist fünf nach zwölf, wir müssen uns endlich gegen die Klimakrise stemmen.

Klar, es wird erwartet, dass Kanzler, Ministerinnen und Landespolitiker sich in den Orten sehen lassen, die vom Hochwasser betroffen sind. Sich bei einer solchen Katastrophe falsch zu verhalten, kann eine politische Karriere zerstören. Und doch sind die Aufnahmen der politischen Elite in Gummistiefeln ärgerlich. Denn sie passen nicht zu dem, was genau diese Politiker sonst sagen. Also dann, wenn gerade keine Wetterkatastrophe eintritt.

Ein Beispiel: Erste Wettermodelle kündigten die enormen Regenmengen bereits an, als die Unionsparteien in der vorletzten Woche das sogenannte Verbrenner-Aus als Wahlkampfthema entdeckten. Am 9. Juni wird ein neues EU-Parlament gewählt, da wetterten CDU und CSU gemeinsam gegen Verbote der Verbrenner. Und bereits im Frühjahr sagte Markus Söder, Bayerns CSU-Ministerpräsident: "Das Verbrenner-Aus für 2035 ist falsch und muss deshalb zurückgenommen werden. Unsere Automobilhersteller sind weltweit führend im Bau von Verbrennermotoren. Es ist daher geradezu widersinnig, eine funktionierende Technologie stillzulegen und künftig anderen Ländern zu überlassen." Söder hatte wohl bemerkt, dass er damit den Bürgern nach dem Mund redet, die in Umfragen mehrheitlich gegen ein Verbrenner-Aus sind.

Fakt ist: In der EU sollen ab 2035 keine Autos mehr zugelassen werden dürfen, deren Antriebe Kohlendioxid freisetzen. Die Zukunft der Mobilität ist damit elektrisch. Genau das ist der Punkt: Es sind Politiker wie Markus Söder, die nun betroffen auf die Fluten blicken, die aber vor einigen Tagen noch damit auf Stimmenfang gegangen sind, dass die Menschen angeblich durch Verbote gegängelt würden. Das ist schäbiger Populismus.

Lesen Sie hier: Warum es besonders bei der EU-Wahl auch ums Klima geht

Die Wissenschaft ist sich einig und warnt seit Jahrzehnten davor, dass die menschengemachte Erderwärmung eine Gefahr ist, die wir bestmöglich abmildern müssen. Stattdessen suggeriert die Politik immer wieder, es könne doch alles irgendwie bleiben, wie es ist. Im Landtagswahlkampf im vergangenen Jahr sagte Markus Söder: "Bayern ist ein Freistaat, kein Bevormundungsstaat. Wir sagen: leben und leben lassen. Nicht: vorschreiben und verbieten." Das Gegenteil ist richtig: Wer verspricht, dass sich nichts ändern muss, wird in einer Welt aufwachen, in der erst recht nichts mehr so sein wird, wie es war.

Der Zusammenhang ist einfach - und doch muss man ihn wieder und wieder erklären: Unsere Wirtschaftsweise beruhte seit der Industrialisierung darauf, dass wir Kohle, Öl und Gas verbrennen. Dabei wird Kohlendioxid frei, das die Atmosphäre erwärmt. Weltweit. In einigen Gegenden Indiens herrschten dieser Tage Temperaturen von um die 50 Grad.

Wir können so nicht weitermachen, die Zukunft ist erneuerbar, Sonnen- und Windenergie produzieren immer mehr Strom. Autos werden in Zukunft mit Strom fahren. Man darf, man muss von klugen Menschen wie Markus Söder erwarten, dass sie das wissen. Und dass sie endlich die politische Führung übernehmen, diese Zusammenhänge den Menschen zu erklären und sie so auf Veränderungen vorzubereiten, statt immer wieder mit dem Finger auf die Politikerinnen zu zeigen, die diesen Mut schon aufbringen. Erwin Huber, eine Art Elder Statesman der CSU, sagt in der aktuellen Ausgabe des "Spiegel": "Die Grünen müssen den Kopf hinhalten für Dinge, die sie selber nie gemacht oder gefordert haben." Auch aus dem Unionslager werde massiv verbal auf die Partei eingeprügelt, warnte der frühere bayerische Finanzminister und CSU-Vorsitzende.

Das sind reflektierte Worte, die man sich in allen Parteien zu Herzen nehmen sollte. Nur dann wirken die Betroffenheitsbilder aus Flutgebieten wieder glaubwürdig. Ansonsten sind sie nichts als Heuchelei.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.

WAHN-, STUMPF-, IRR-, BLÖD-, STARR-SINN. Eine Sintflut an sinnloser Genialität. Ein Lob der deutschen Sprache, die für jeden SINN zu gebrauchen ist.

Permalink

Sie wissen, dass wer die Wahrheit sagt 1. selten gewählt wird. 2. Wenn sie schlecht ist, auch für sie verantwortlich gemacht wird. 3. Dann den Weg zum Guten weisen muss.  4. Wenn sie wahr ist, viele Trittbrettfahrer hat.
Ein Arzt, der sagt, dass Rauchen tötlich ist und Zucker "ansetzt", hat den Patient verloren.  Wer sagt, dass Christen die Extremen nicht wählen sollen, sich aber von denen mit der Kist bezahlen lässt, ist ein...??? Wer die Demokratie von anderen fordert, sie aber im eigenen Haus nur eingeschränkt (die Synode ist eine manipulierte Versammlung!) zuläst, ist ein...? Wer eine besondere Verantwortung beansprucht, aber deren Folgen nicht tragen muss, ist ein...? Wer für sein Einkommen (KIST) nicht verantwortlich ist, für die Ausgaben (Haushalt) die Mitglieder verantwortlich macht, die Bezahlung der Besoldungsgruppe überträgt, und dann von eigener Verantwortung spricht, ist ein...? Wer vom Glauben spricht,  dessen Interpretation aber allen Pfarrern einzeln überträgt und deshalb selbst keine Verantwortung hat, ist ein...? Wer eine besondere Verantwortung für die Politik beansprucht, aber nicht gewählt ist und dennoch von Demokratie spricht, ist ein...? Wer die Folgen "seiner Politik" nicht zu tragen braucht und sich nicht mal für das Wohlwollen für Kriegstreiber, "EMMA" und andere Irrungen entschuldigt, ist ein...? Wer dann noch seine Sakramente und seine Würde auf dem Jahrmarkt verhökern lässt, für den kann man sich nur schämen

Permalink

HEUCHELEI ist ein weites Feld. Die Bibel wird zu jedem Zweck bemüht. Passt ihr Inhalt nicht, wird er "geglättet". Die Armut soll das Ziel sein. 1600 Jahre und die Besoldungsgruppen zeigen was anderes. Die Nächstenliebe ist die wahre und "Ware" Essenz. Aber wer nicht glaubt und alle Andersgläubigen kommen auf ewig in die Hölle. Nun muss wieder mit vielen Worten in einer Predigt als Bügeleisen alles geglättet werden.

Permalink

Journalisten wie Nils Husmann blicken treuherzig auf die Welt und lassen dabei keine Gelegenheit aus, uns weiszumachen, dass alles wieder so werden kann wie es war. Sie sollten es besser wissen, dass nach dem Leben der Tod kommt, bisher noch keine Postkarte aus dem Paradies kam, was verbraucht/vernichtet wurde, verloren ist und mit dieser Heuchelei der eigenmächtigen Wiederherstellung das Leben bestritten wird

Permalink

Seit Jahren ist im Journalismus, in Kunst und Glaube eine persönliche preußische Linkslastigkeit zu beobachten, die mit Ablehnung und Häme bevorzugt Bayern, Östereich und deren Politiker treffen will. Der nördliche Neid auf Erfolg, Lebensqualität und Lebensfreude (Dirndl u. Lederhose auf Festen im Norden) ist zwar verständlich, man muss ihn aber doch nicht so unverblümt zeigen! Wer übertrifft hier wen als Heuchler?

Antwort auf von Ockenga (nicht registriert)

Permalink

Auf dem Foto ist es deutlich zu erkennen: Der Gesichtsausdruck des Herrn Ministerpräsidenten zeigt landestypische bayerische Lebensfreude. Bei der örtlichen Einsatzkraft links vorne muss es sich hingegen um einen dem Journalismus, der Kunst oder dem Glauben entsprungenen linkslastigen Preußen handeln. Bei dem tut es festes Straßenschuhwerk, wogegen der aus München angereiste hohe Gast sehr fotogen Hochwasserstiefel gewählt hat.

Fritz Kurz

Da lachen und witzeln Grüne im Berliner Stadtparlament über den Mord an einen Polizisten und dann kommt ... nichts mehr. Kein Aufschrei von den Wertewächtern, die sonst immer jedes Wort, jede Rede darauf abklopfen, ob was misszuverstehen sein könnte. Von Kunst, Intellektuellen und den Kirchen Grabesstille. Obwohl doch sonst immer jeder Aufschrei sofort erfolgt. Sieht so klammheimliche Schadenfreude und die Pause der Nächstenliebe aus? Wie ist sonst die Stille zu verstehen? Oder ist es die Scham über das moralische Versagen der Verwandtschaft? Söder und Andere lachen nicht über das Leid auf der anderen Seite. Sie hatten noch eine Kinderstube und haben menschliche Werte. Die Linken u. Ihre Geisteskinder haben nur ihre eigenen und spotten über die der anderen. Ockenga

Dass der Herr "Söder und Andere" eine Kinderstube haben und den Wertehimmel anhimmeln, steht außer Frage. Deswegen würden sie auch jederzeit folgenden Spruch loslassen: "Wir stehen klar hinter der Polizei, die tagtäglich ihr Leben und ihre Gesundheit für unsere Sicherheit aufs Spiel setzen. Sie haben unseren uneingeschränkten Respekt und unsere Unterstützung". Dumm nur, dass ihnen mit diesem Spruch schon andere zuvorgekommen sind, die ebenfalls voller wertegeschwängerter Kinderstube sind. Wenn Sie, werter Herr Ockenga, richtig raten, von wem dieser Spruch stammt, bekommen Sie von mir ein Heiligenbildchen.

Fritz Kurz

Gratulation! Sie merken aber auch alles. Zeigt das Bild dann Sie? Das Wohlwollen für Recht und Ordnung, egal von wem, ist also verdächtig. Sind Sie morgen ein Opfer, wird umgehend die Rache des Staates gefordert.

Es ist viel schlimmer als Sie befürchten, werter Herr Ockenga. Das Wohlwollen für Recht und Ordnung steht nicht nur in einem üblen Verdacht. Es ist erwiesenermaßen die Tour, mit dem die Mannschaften in der Spur gehalten werden. Das gilt nicht nur für längst vergangene Zeiten, ferne Länder und überwundene Systeme. Das gilt für hier und heute.

Das Wohlwollen für Recht und Ordnung ist eine sehr wohlwollende Umschreibung für die alltägliche Mitmachergesinnung. Was ist erlaubt, was ist verboten und wo werde ich nicht erwischt? Darauf auch noch stolz zu sein zeichnet leider nicht nur die Konservativen, sondern auch die sich selbst als links oder fortschrittlich Einschätzenden aus. Falls Ihnen das ein Trost sein sollte...

Fritz Kurz

wie doch mit der blinden Brille und der hinlänglich bekannten sprachlichen "Glättung" (lt. F. Seffrenski in CHRISMON eine beliebte Kanzeltechnik) selbst der Schutz der Bürger durch die Ordnung des Staates madig gemacht wird. Motto: "Wenn einer geschlagen wird, weil er sich gegen Unrecht wehrt, ist er selbst schuld"!

Antwort auf von Ockenga (nicht registriert)

Permalink

"der Schutz der Bürger durch die Ordnung des Staates" ist einer der Hauptschlager der Staatspropaganda. Was hat es damit auf sich?

Man soll sich das so vorstellen: Der Staat passt mit seiner Polizei darauf auf, dass während meiner Abwesenheit niemand meinen Wohnzimmerschrank ausräumt oder meine Wohnung besetzt. Deshalb soll ich Fan der Polizei und des Staates werden.

Das ist ein Denkfehler. Der Staat schützt nicht mein Interesse an meinem Geschirr und meiner Behausung. Der Staat schützt die Eigentumsordnung. Deshalb darf mir niemand meine Socken nehmen und sich in meiner Wohnung breit machen. Jeder muss sich auf das beschränken, was ihm gehört. Deshalb muss auch ich mich beschränken auf meine Wohnung und komme überhaupt nie an die Schlüssel der Wohnungen ran, die ich oder meine Kinder bräuchten oder gerne hätten. Die Mieten sind zu hoch.

Und dieser Sorte von Schutzengel soll ich jetzt die Füße küssen? Nein danke!

Fritz Kurz

Klar doch! Und ob dann die evangelische Kirche in Hessen und Nassau zuständig ist oder doch König Charles III und der Generalgouverneur Cornelius A. Smith, diskutieren wir ein andermal.

Fritz Kurz