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Nun also: "Deutsche Wohnen und Co" in Berlin soll enteignet werden. Zusammen mit vielen anderen Wohnkonzernen, die mehr als 3000 Wohnungen im Bestand haben; Wohnungsbaugenossenschaften sollen ausgeschlossen werden.
Wie das alles gehen soll, was rechtlich überhaupt möglich und realistisch ist? Darüber haben sich die Organisator:innen meiner Ansicht nicht allzuviel den Kopf zerbrochen. Ihnen ging es vor allem um die große Botschaft: Wohnungen raus aus der Spekulation, Mieten runter. Da ist ein Kreuzchen schnell gemacht und kostet nichts. Das Ergebnis bestätigt sie: 56,4 Prozent haben mit "Ja" gestimmt, 39 Prozent mit „Nein“.
Katastrophale Lage auf dem Wohnungsmarkt
Ich habe in den letzten Wochen vor dem Volksentscheid einiges zum Thema gelesen und gehört, z.B. dieses aufschlussreiche Feature im Deutschlandfunk, in dem eben auch Akteure und Betroffene zu Wort kommen. Vieles konnte ich nachvollziehen. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist nicht nur in Berlin katastrophal. Doch enteignen? Oder wie es hübscher heißt „vergesellschaften“? Nein, das wird kein möglicher Weg sein. Am Ende, davon bin ich überzeugt, wird keine Wohnung wirklich günstiger, wird keine Wohnung in Berlin schneller gebaut werden, weil es diesen Volksentscheid gibt.
Es gibt die Werkzeuge gegen Spekulation bereits - sie müssen nur andgewandt werden
Was denken Praktiker dazu? Ich habe Pit Weber angerufen. Vor einigen Monaten hatten wir uns für eine Recherche auf dem Stadtgut Blankenfelde Berlin-Pankow getroffen: Pits Mietergenossenschaft, die Selbstbau eG engagiert sich seit Jahrzehnten für den Bau von günstigen Wohnungen, für den Erhalt von Bausubstanz und gewachsener Strukturen; kurz für all das, wofür sich die Menschen der Volksentscheidsinitiative auch einsetzen. Also, Pit – freust Du Dich?
Nein tut er nicht. Genau wie ich findet der Genossenschaftsfachmann Pit Weber: Der Volksentscheid ist Populismus. Pit weiß: Es gibt ja längst alle Werkzeuge, mit denen man der ausufernden Spekulation von Miet- und Eigentumswohnungen entgegenwirken könne. Wenn man es denn wirklich wolle.
Ein Beispiel:
Über 71 soziale Erhaltungsgebiete gibt es bereits in Berlin. In diesen Quartieren hat die Stadt ein Vorkaufsrecht. Das, so Pit, muss sie einfach ausüben, dann wird genau das erreicht, was auch die Enteignungsinitiatve erreichen will: Bestehender Wohnraum wird geschützt, Mieten steigen nicht in exorbitante Höhen. Die mit dem Vorkaufsrecht gekauften Häuser kommen zunächst in einen Häuserfonds des Landes. Dann wird geprüft ob sie aufgrund ihrer Lage, ihres baulichen Zustandes und der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Mieter an eine städtische Gesellschaft oder Genossenschaft übergeben werden können.
Die kleinen Genossenschaften sollen jetzt alles retten?
Doch genau das geschieht nicht. Die Stadt versucht stattdessen Genossenschaften wie die Selbstbau eG zu nutzen: „Wie sollen wir paar engagierte Kleingenossenschaften in Berlin das jetzt alles retten?“, ärgert sich Pit. So ein Mietshaus in Friedrichshain mit 26 Wohnungen kostet schon mal 7 Millionen Euro. Erhebliche Beträge für Genossenschaften, die jetzt schon am personellen und finanziellen Limit arbeiten würden.
Private Glücksritter und Renditefonds
Fast wöchentlich, so Pit weiter, erreichen ihn und andere Genossenschaften in Berlin verzweifelte Anrufe von Hausgruppen aus eben diesen Erhaltungsgebieten. Dabei geht es längst nicht immer um den Verkauf an große Wohnungsbaugesellschaften. Auch private Investoren und Renditefonds wollen maximale Gewinne. Sie, so Pit, seien oft schwerer zu kontrollieren, als die in der Öffentlichkeit stehenden Konzerne wie Deutsche Wohnen.
Pits Fazit: Der angeblich für Mieterinnen und Mieter so großartige Volksentscheid wird nicht wirklich helfen. Stattdessen wurden Hoffnungen geweckt, Emotionen geschürt, die wohl niemals eingelöst werden könnten. Und es wurden und werden politische Energien und Geld gebunden; beides wird dringend in den sozialen Erhaltungsgebieten benötigt. Stimmt, finde nicht nur ich.
„Genauso gut“, fasst Pit es zusammen „hätte man einen Volksentscheid organisieren können, der ‚Glück für alle Menschen fordert‘. Da würde es auch eine Riesenzustimmung geben.“
Ihr Eintrag "Und beim nächsten Mal fordern wir Glück für alle?"
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Liebe Frau Heintze,
lange habe ich auch gedacht, der Volksentscheid "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" sei purer Populismus, die Zustimmung sei wohlfeil. Trotzdem habe ich am Sonntag mit "Ja" gestimmt. Warum? Weil ich es wichtig finde, dass wir in Berlin signalisieren: Es reicht. Und wir wollen es nicht mehr hören, dass es bereits Werkzeuge gegen Spekulation gebe. Warum wurden und werden sie dann nicht genutzt? Hans-Jochen Vogel hatte schon vor Jahrzehnten Wege aufgezeigt, der Spekulation mit Wohnungen einen Riegel vorzuschieben. Nur hat seine Partei dies nicht hören wollen. Dann müssen wir eben etwas mehr Druck machen. Dafür sind die 56 Prozent "Ja"-Stimmen wichtig. Der Berliner Senat wird die Wohnungskonzerne deshalb nicht enteignen, aber er muss stärker als seine Vorgänger gegen Spekulation vorgehen, wenn Frau Giffey glaubhaft bleiben will mit ihrer Aussage, sie werde das Ergebnis des Volksentscheids "respektieren".
Demokratisches schöneres Wohnen
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Erst hat der freie, mündige Bürger allerlei Geschlechts sich gründlich den Kopf zerbrochen, wen er wählen soll. Dann hat er verantwortungsvoll sein Wahlkreuz gemalt. Überdies hat das Volk noch eine demokratische Sonderschicht geschoben und einen sauberen Volksentscheid hingelegt.
Allen ist sonnenklar, dass Wohnen auch in Zukunft für den Normalmenschen ein teures Dauerproblem bleiben wird. So funktioniert Demokratie.
Und da besitzen die am Hindukusch die Frechheit, nicht einfach hingerissen zu sein von der demokratischen Form der Herrschaft! Stattdessen sorgen sie rotzfrech auf ihre eigene Tour dafür, dass auch dort die gewöhnlichen Afghaninnen beiderlei Geschlechts den herrschenden Zwecken nicht unschön dazwischen kommen. Trotz Nachhilfeunterricht durch die Bundeswehr.
Fritz Kurz