Begrüßungsgeld: Der Toaster
Sophie Kirchner
Dass der solange hält!
Eigentlich wollten Werner und Kerstin Konschack, 61 und 53, Edgar-Wallace-Krimis kaufen. Aber dann wurde es der Toaster.
Julia Steinigeweg
Julia Steinigeweg
20.09.2019

Werner: Wir haben uns erst mal angehört, was andere über den Westen berichtet haben. Und dann sind wir im Dezember über Potsdam, Glienicker Brücke, reingefahren. Da gab es schon keine Menschenmassen mehr. Trotzdem hatte ich erhöhten Blutdruck, das kann ich Ihnen sagen! Mir fiel auf, dass die Wände alle angemalt waren, mit Graffiti, und überall Reklame hing. Alles hatte mehr Farbe, bei uns gab es ja nur grauen Beton.

Der Toaster ist ein gutes Markenprodukt

Kerstin: Jetzt hat man sich an die Reklame ­gewöhnt und glaubt das auch nicht mehr ­alles so wie früher. Wir waren dann in irgend­einem riesigen Kaufhaus, ich glaube auf dem Ku’damm. Von dem Geld wollte ich mir eigentlich Edgar-Wallace-Krimis kaufen. Aber die ­haben wir leider nicht gefunden, also haben wir den Toaster gekauft.

Werner: Die Zeit ist so schnelllebig geworden. Ich hätte nie gedacht, dass der Toaster so lange funktioniert. Es ist ein gutes Markenprodukt, aber die Firma kann davon nicht existieren, wenn einer 30 Jahre seinen Toaster benutzt. Da geht die pleite!

In der DDR haben wir uns sicherer gefühlt

Kerstin: Ich hätte ihn nicht haben müssen, den Mauerfall. Wir ­wären weiter nach ­Bulgarien gefahren, da war es auch wunderschön. Zu DDR-Zeiten hat man immer Geld gehabt, und man konnte auch immer sparen. Jetzt ist es immer knapp am Ende des Monats. Wir haben uns in der DDR sicherer gefühlt. ­Sicherer vor Verbrechen, vor Armut oder ­finanziellen Problemen. Früher war unsere Gartentür immer offen. Jetzt nicht mehr.

Julia Steinigeweg

Sophie Kirchner

Sophie Kirchner, ­geboren in Ostberlin, war fünf Jahre alt, ­als die Mauer fiel. Die ­Erwachsenen um sie herum, sagt sie, seien damals so glücklich, so euphorisch gewesen – ­das habe ihr Angst gemacht. Seit 2014 ist das Begrüßungsgeld ihr Thema, sie fotografiert Ostdeutsche und deren Käufe – und fragt danach, was sie ­erlebt haben.

Was würden Sie sich heute ­kaufen, wenn Ihnen der Staat 100 Euro schenken würde?

Kerstin: Für 100 DM hatte man früher einen Einkaufskorb voll mit Lebensmitteln. Heute kriegt man dafür kaum noch ­eine ­Tasche voll. Das reicht nicht mal für die ganze Woche. Das ist schon ­traurig. Ich wollte mir schon immer mal einen guten Staubsauger kaufen . . . 

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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geärgert habe ich mich über die Äußerungen von Frau und Herrn
Konschack. Die beiden sehen nun wirklich nicht bedürftig aus. Dass man
mit 100 € nicht mehr die Tasche voll kriegt, klingt mir schon sehr nach
stänkern und nicht nach der Wahrheit. Wo kaufen sie denn ein?

Wir haben kürzlich bei einem Supermarkt eingekauft, für 88,80 €. Darin
waren sehr viele Bio-Lebensmittel, weil wir das schätzen. Der
Einkaufswagen war voll. Das reicht für mehr als eine Woche.
Meine Tante aus Magdeburg war während DDR-Zeiten sehr glücklich, wenn
sie einmal eine grüne Gurke ergattert hatte. Daran wollen sich die
Konschacks wohl nicht erinnern. Im Übrigen waren Lebensmittel noch nie
so günstig wie heutzutage, was von Bauern sehr beklagt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Veronika Reimers