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Es klingt so vernünftig. Zeit statt Zeug verschenken. "Ich gehe fünfmal mit deinem Hund Gassi" ist so eine wahnsinnig witzige Idee für den Geburtstag der besten Freundin. Oder: "Ich überrasche dich mit einem Apéro am See." Gibt’s als Gutschein und als Geschenkbox mit Gutschein und als Buch mit Box und Gutschein. Nicht geschenkt, sondern für 29 Euro. Ein Riesenbusiness ist entstanden um die angeblich so großzügig verschenkte Zeit, von Muttertag bis Männergeburtstag. Wobei ich (falls einer der Söhne das hier liest) vorsorglich klarstelle: Wenn überhaupt, schenkt mir bitte das Männer-Zeit-Paket, Schießtraining in Oberursel. Großkalibrige Waffen, 159 Euro. Alles besser als die Weibernummer, Kuscheln bei Kerzenlicht.
Aber ich will lieber gar keine Zeit geschenkt bekommen. Denn es klingt so, als sei es ein ganz schönes Opfer, wenn jemand seine wertvolle Zeit mit mir verbringt. Seine "Quality Time", so steht es ernsthaft auf einem der vielen Zeitgeschenk-Portale. Wie herablassend. Danke, dann nehm ich lieber rote Rosen.
Zeit ist kein kostbares Gut - sie ist gar kein Gut
Ich glaube, dass bei der Zeit das Schema von Sender und Empfänger einfach nicht hinhaut. Auch wenn es auf all diesen Kommerzseiten so steht: Zeit ist eben nicht "ein kostbares Gut". Sie ist gar kein Gut, keine Ware. Zeit ist da, und wenn wir sie gemeinsam verbringen, haben wir beide etwas davon. Auch gern mit Apéro am See.
Schade, dass auch die Kirchen dafür werben, seine Zeit zu verschenken. So soll, wer bei der Telefonseelsorge mitarbeitet, nicht nur "das Leben in seiner Vielfalt wertfrei bejahen", sondern auch "Zeit schenken können". Dabei wissen erfahrene Ehrenamtliche: Die Zeit am Telefon ist nie vertan. Man stiftet Sinn, und stets geht man aus einem Dienst anders heraus als hinein. Warum nur verschwurbelt die Kirche ihre sinnvollen Aktivitäten bisweilen mit so hochgradig sinnfreien Formulierungen? Meine Kollegen von chrismon plus haben daraus gerade ein ganzes Wörterbuch gebastelt: "Evangelisch-Deutsch". Mein Liebling: "Das Gewordene und das Gewesene". Heißt auf Deutsch: "Alles".
Widerspruch
Leider muss ich Ihnen heute widersprechen, denn ich finde „geschenkte Zeit“ etwas Wunderbares, sei es, dass man sie an Menschen oder andere Organisationen ehrenamtlich verschenkt, die wiederum etwas Gutes für Menschen tun, und als Opfer fühlt man sich überhaupt nicht.
Freundliche Grüße von Wiebke Robl, die seit Jahren gerne und „freiwillig“ Zeit verschenkt.
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Zeit verbringen, nicht schenken
Mal wieder ein bemerkenswert knackiger und zum Nachdenken anregender kleiner Artikel. Ich habe meine Zeit, die mir von höherer Stelle geschenkt oder ausgeliehen wurde, mit Ihnen geteilt. Beim Lesen. Zeitlich versetzt mit Ihrem Verfassen des Textes. Will sagen: gemeinsam(e) Zeit verbringen (sharing) ist das Wertvolle. Keine "verschenkte" Zeit.
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