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Emanzipatorische Wirkung
Eigentlich nichts. Aber Wissen ist immer nützlich, gerade wenn Christen über Traditionen streiten oder sich von ihnen befreien wollen
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
20.03.2012

Die ersten Christen kamen ohne ­religiöses Wissen aus, ohne komplizierte Lehren, ohne lange Bekenntnisse. Sie folgten dem Beispiel Jesu. Glauben hieß für sie, in Jesu Liebe beständig zu bleiben. Sie waren überzeugt, dass Jesus der Chris­tus, also der Messias sei und als gnädiger Weltenrichter wiederkehren werde.

In den Sprachen der Bibel ist „glauben“ gleichbedeutend mit „treu sein“ und „vertrauen“. Glauben ist eine Haltung – wie Liebe und Hoffnung (1. Korinther 13). Biblischer Glaube richtet sich nicht auf Lehrsätze oder Dogmen, die man sich merken oder für wahr halten kann.

Bekenntnis zum biblischen Gott

Das systematische Nachdenken über theologische Fragen begann erst, als es schon gut 100 Jahre Christen gab. Die ers­ten Theologen waren Leute, die religiöse Erkenntnis (Gnosis) suchten. Sie spekulierten etwa, dass es eine reine geistige Sphäre über der korrupten materiellen ­gebe. Dass der biblische Schöpfergott bloß die physische Welt geschaffen habe und ein miserabler Handwerker sei. Dass die Schlange Adam und Eva nicht zum Bösen verführt, sondern sie in Geheimnisse der geistigen Welt eingeweiht habe.

Gegen solche Verdrehungen formulierten andere Kirchenlehrer Glaubens­sätze. Sie sagten zum Beispiel: „Ich glaube an Gott, den Allmächtigen, Schöpfer des Himmels und der Erden“ – und bekannten sich damit zum alten biblischen Schöpfungsglauben, der bis heute Christen und Juden verbindet. Von da an zählte man zum Glauben auch das Wissen um Lehren und Bekenntnisse.

"Konzilien können irren"

Bis in die Moderne müssen sich Christen immer wieder gegen alle möglichen schrägen Lehren wehren. Die Barmer Theologische Erklärung von 1934 grenzte sich gegen Versuche ab, die nationalsozialistische Rassenlehre in die christliche Theologie aufzunehmen.

Der Ökumenische Rat der Kirchen stellte sich in den 1970er Jahren offen gegen die Rassentrennung in Süd­afrika – und dagegen, dass südafrikanische Christen sie auch noch guthießen. Anfang der 1980er Jahre erklärte der Reformierte Bund: Wer sich zu Jesus Christus bekennt, muss die Stationierung von Massenvernichtungswaffen ablehnen.

Immer wieder haben sich kirchliche Lehrsätze – Dogmen, sagen die Theologen – als anfechtbar, diskutierbar erwiesen. „Auch Konzilien können irren“, sagte der Reformator Martin Luther 1519 während einer Disputation – und verärgerte manchen Kirchenfürsten.

Wer Lehren anzweifelt, glaubt nicht weniger als andere

Religiöse Lehren zu kennen hat mit Glauben erst einmal nichts zu tun. Sie ersetzen nicht das Festhalten an der Liebe Christi. Sie schaffen auch kein Gottvertrauen, wenn es darauf ankommt. „Wir sind allesamt zu dem Tod gefordert, und keiner wird für den andern sterben, sondern jeder in eigener Person für sich mit dem Tod kämpfen“, predigte Luther einmal: „In die Ohren können wir wohl schreien, aber ein jeder muss für sich selbst geschickt sein in der Zeit des Todes.“

Dennoch ist es gut, wenn sich Gläubige in ihrer Glaubenstradition auskennen – wenn sie vielleicht auch noch mehr da­rüber wissen, als eine Kurze Kirchengeschichte im Comic ("Von Jesus bis heute in vier Minuten") erzählt. Will man über Traditionen streiten, sich gar von ihnen befreien, hilft Klarheit darüber, wie und warum sie überhaupt entstanden.

Zum Beispiel Klarheit über die Lehre, die Sünde werde seit Adam und Eva von einer Generation auf die nächste im Geschlechtsakt vererbt. Mit dieser Lehre von der Erbsünde setzte sich im fünften Jahrhundert ein pessimistisches Menschen­bild durch. Da wurde Sexualität verurteilt, Pfarrer und Eltern redeten Kindern Schuldgefühle ein. Heute sagt das so kaum noch jemand. Wer Lehren anzweifelt, glaubt deshalb nicht weniger als andere.

Bildung bewahrt vor kirchlicher Bevormundung

Theologische Bildung hat eine eman­zipatorische Wirkung. Sie macht deutlich,  dass scheinbare Gewissheiten nicht immer allen gewiss waren. Sie bewahrt vor kirchlicher Bevormundung und davor, Irrwege kritiklos mitzulaufen. Vor allem hilft sie, ein eigenes Glaubensverständnis zu ent­wickeln. Den Reformatoren war das klar – sie förderten deshalb das Bildungswesen.

Um zu glauben, muss man nicht viel wissen. Aber viel Wissen kann ungeheuer nützlich sein.

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Zunächst einmal bedeutet "glauben" doch "nicht wissen". Für die meisten Christen ist beides aber wohl gleichbedeutend. Denn wenn sie sagen: ich glaube an Gott, dann wollen sie damit ausdrücken, dass sie von Gott "wissen", dass sie nicht an seiner Existenz zweifeln. ---

Worauf aber beruht dieses "wissen"? Es mag die Erziehung sein, das Aufwachsen im "Glauben", vielleicht eine Art Gotteserfahrung. Das alles ist aber etwas, was mit Wissen, überprüfbaren Daten, mit Vernunft, nichts zu tun hat. ---

Was für ein Wissen ist damit gemeint: "viel Wissen kann ungeheuer nützlich sein." ? Ich kann das bestätigen, aber wohl nicht im Sinne jenes Autors. Denn je mehr ich zu erfahren suche, je mehr "Wissen" ich mir zu eigen mache, desto mehr lerne ich, dass wir 2000 Jahre für dumm verkauft wurden. Kirche, wie auch immer, ist eine Sache des Glaubens, und läßt sich mit Vernunft nicht belegen. ---

Ein Thema zu Ostern ist alljährlich: Warum mußte Jesus für uns am Kreuz sterben? - Das setzt schon mal voraus, dass man dies als historisch ansieht. Ist es das? Braucht es auch nicht, wenn es eine Sache des Glaubens ist. Aber hinterfragt, haben wir keinerlei Belege dafür und er mußte es auch nicht. Was ist die Erbsünde, von der er uns befreien sollte? Was ist das für ein Gott, der es nötig hat, einen Sohn jungfräulich in die Welt zusetzen (wie viele andere Gotteskinder in der Antike auch), um durch qualvollen Tod uns zu erlösen? Hat ein liebender, allmächtiger Gott diese dramatische Inszenierung nötig? ---

Dafür habe ich, vom Glauben her, in dem ich aufgewachsen bin, natürlich eine Antwort. Aber als kritisch denkender Mensch kann ich nicht umhin, das alles infrage zu stellen. ---

"Mein" Gott braucht all diese Geschichten nicht. Und ich habe ein gutes Gefühl dabei. ---

In der Genesis heißt es: "So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, als Gottes Ebenbild schuf er sie und schuf sie als Mann und als Frau." Mir scheint, die Menschen haben sich einen Gott geschaffen nach ihrem Bild. Das macht ihn so ungemein menschlich.

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Ja, selbst ein Dummkopf kann für klug und verständig gehalten werden, wenn er nur den Mund halten könnte.
Aber warum sollen wir den Mund halten?
Ich glaube nicht, sondern ich WEIß, dass mein Erlöser lebt.

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Leider führt der Artikel ein wenig in die Irre. Man kann nicht glauben, ohne zu wissen, ohne konkrete Inhalte. Das war auch bei den Jüngern so, bei den Kirchenvätern und bei den Reformatoren. Dieser Widerspruch zwischen "Wissen" und "Glauben", ja eigentlich diese Geringschätzung des objektiven Aspektes des Glaubens, unterhöhlt den Glauben viel zu sehr.

Ein Glaube ohne rationale Inhalte ist sehr wenig wert und wird kaum den Schwierigkeiten des Lebens trotzen können. Er wäre reiner Mystizismus. Das hat aber mit dem Glauben, wie ihn Luther und Calvin und Augustinus und Thomas von Aquin etc. geglaubt und gelebt hatten, sehr wenig zu tun.

Dazu empfehle ich den Atikel auf Theoblog.de.
Siehe http://www.theoblog.de/wissen-um-zu-glauben/16977/

Wie Ron Kubsch dort schreibt, gibt es - aus der lutherischen Orthodoxie stammend - die Unterscheidung von drei Ebenen des Glaubens.
1.) Notitia = Kenntnis eines Glaubensinhaltes
2.) Assensus = Bejahung oder Annahme bestimmter Inhalte
3.) Fiducia = Gottvertrauen, persönlich gelebter Glaube.

Wie mir scheint, möchte dieser Artikel von Burkhard Weitz ohne 1.), also ohne die Fiducia auskommen, bzw. es sei ziemlich egal, ob man bestimmte Inhalte glauben könne.
Das ist dann aber ein sehr wackliges Fundament. Wenn 1. fehlt, dann nutzt 2. und 3. eigentlich gar nichts, und 2. und 3. hängen dann in der Luft. Dann kracht das ganze Gebäude in sich zusammen.

Die Aussagen oben, <blockquote> "Die ersten Christen kamen ohne ­religiöses Wissen aus, ohne komplizierte Lehren, ohne lange Bekenntnisse."</blockquote> und <blockquote>"Sie waren überzeugt, dass Jesus der Chris­tus, also der Messias sei und als gnädiger Weltenrichter wiederkehren werde." </blockquote> sind in sich schon ein Widerspruch.

Wenn man überzeugt ist, dass Jesus der Messias ist, dann ist das schon Fiducia, dann ist das schon religiöses Wissen, und zwar ziemlich tiefes Wissen. Dazu muss man das Alte Testament kennen und wissen, was es heißt, ein "Messias" zu sein. (Nämlich der Retter der Welt, der Retter von Schuld, Sünde, Tod und Satan). Da ist es nicht mit ein paar "religiösen Gefühlen" der "Zugehörigkeit zu Jesus" oder so ähnlich getan.
"Jesus ist der Messias" ist auch ein wohldurchachtes, rational verstandenes Bekenntnis, das die ersten Jünger immer abgegeben hatten - und dafür auch verfolgt wurden.

Zitat:
<blockquote>Theologische Bildung hat eine eman­zipatorische Wirkung. Sie macht deutlich, dass scheinbare Gewissheiten nicht immer allen gewiss waren. Sie bewahrt vor kirchlicher Bevormundung und davor, Irrwege kritiklos mitzulaufen. Vor allem hilft sie, ein eigenes Glaubensverständnis zu ent­wickeln. Den Reformatoren war das klar – sie förderten deshalb das Bildungswesen. </blockquote>
Das ist eine ein wenig einseitige Information. Den Reformatoren ging es nicht um "religiöse Emanzipation" von aller Wahrheit per se. Es ging ihnen darum, FALSCHE Traditionen, die der Heiligen Schrift widersprachen, von den richtigen Traditionen bzw. der Wahrheit zu trennen. Das hat aber nichts gemein mit der theologisch liberalen Haltung der Moderne, in der die zentralen Elemente des christlichen Glaubensbekenntnisses in Frage gestellt werden. Es geht auch nicht darum, autonom zu sein vor Gott oder vor der Heiligen Schrift, sondern darum, autonom zu sein von kirchlicher Bevormundung. Da muss man also sorgfältig unterscheiden, wenn man treuer Protestant sein will.
Prinzipiell hat die religiöse Erziehung die Aufgabe, Menschen zur Ehrfurcht vor Gott zu erziehen. Das war so, bis die '68er den Bildungsauftrag neu interpretierten und meinten, es geht primär darum, den Glauben in Frage zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen,
Andreas

"Die ers­ten Theologen waren Leute, die religiöse Erkenntnis (Gnosis) suchten. " Das ist ein ziemlich fieser Satz. In dem Fall sind zum Beispiel die Paulusbriefe doch nicht so theologisch wie bislang angenommen?

Wenn man nichts wissen muss, um zu glauben, dann kann man ja glauben, was man will.

Zum Beispiel: Mein Jesus hat am Kreuz nicht meine Strafe getragen, das wäre ja göttlicher Kindesmissbrauch. Aber sonst glaube ich, dass Er der Messias ist und ich in Seiner Liebe bleiben soll ... aber bitte ohne Kreuz, Heiligkeit, Seine Gottheit ... Das ist doch ziemlich unsinnig!

Ich vertraue Jesus ja, weil ich Ihn kenne ... weil ich weiss, was ich glaube, weil ich aufgrund der biblischen Lehre weiss, dass Er vertrauenswürdig ist oder dass das Erlösungswerk Sinn macht und notwendig ist.

Der letzte Absatz dieses Artikels macht im Endeffekt deutlich, dass Wissen eben doch notwendig ist. Um nicht auf falsche Lehren hereinzufallen, die in die Irre und von Jesus wegführen, muss ich ja das Evangelium der Bibel kennen (vgl. Judasbrief, 1.Johannesbrief).

(Lukas 17:5) . . .Nun sagten die Apostel zum Herrn: „Gib uns mehr Glauben.“

Noch mehr "nicht - wissen"?

Bestimmt nicht.

Jesus gab ihnen das, was notwendig war, um ihren Glauben zu vergrößern. Er führte weitere Beweise an und vermittelte ihnen mehr Verständnis. Darauf konnten sie ihren Glauben stützen

Glauben?

Einfach nur glauben - ohne zu hinterfragen?

Wer nichts weiss, muß alles glauben.
(Winston Churchill)

Glaube ohne Beweise führt gewöhnlich zum "Aberglaube" - siehe Ostern.

Der Glaube eines wahren Christen ist nicht gleich bleibend, sondern wächst (2Th 1:3).

Konkrete Beweise bilden die Grundlage des Glaubens.

Die sichtbare Schöpfung bezeugt die Existenz eines
unsichtbaren Schöpfers.

"Denn was Menschen von Gott wissen können, ist ihnen bekannt. Gott selbst hat ihnen dieses Wissen zugänglich gemacht. Weil Gott die Welt geschaffen hat, können die Menschen sein unsichtbares Wesen, seine ewige Macht und göttliche Majestät mit ihrem Verstand an seinen Schöpfungswerken wahrnehmen. Sie haben also keine Entschuldigung".
(Römer 1:29,20 Gute Nachricht)

Mit freundlichem Gruß aus Hessen, Wolfgang Schäfer

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Autor des folgenden Beitrages ist Iwan der Schreckliche. Zitat aus dem Artikel: "Was muss man wissen, um zu glauben? Eigentlich nichts." Das Wort eigentlich gehört gestrichen. Dann steht die richtige Auskunft da, dass der Glaube nicht auf Wissen beruht. Wer zum Glauben wild oder auch nur maßvoll entschlossen ist, legt fröhlich los mit der Glauberei. Wer an Gott glauben möchte, tut das eben. Welches Wissen soll da Voraussetzung sein? Ob der Gott, den er sich da nun ausmalt, genau so beschaffen ist wie der Gott seines Kirchenbanknachbarn oder der des Herrn Pfarrers, der jahrelang etwas betrieben hat, was sich Theologiestudium nennt, ist eine andere Frage. ______________________________ Zitat: "Aber Wissen ist immer nützlich" Da fragt es sich allerdings, welches Wissen für wen nützlich ist. Das Wissen, dass Gott eine Fiktion ist, mit der die Menschheit prächtig an die Leine gelegt wird, ist ein Wissen, das sowohl für Herrscher wie auch für die Kritiker der Herrschaft nützlich ist. Für den Glauben ist dieses Wissen allerdings nicht nützlich, sondern tödlich. Das Wissen darum, was schon alles geglaubt und in Glaubensbekenntnisse gefasst wurde, kann gut als Waffe dienen im innergläubigen Meinungsstreit um den wahren Glauben. Konservative wie moderne Gläubige machen von dieser Sorte Wissen rege Gebrauch. __________________________ Zitat: "Bis in die Moderne müssen sich Christen immer wieder gegen alle möglichen schrägen Lehren wehren." Die Bezeichnung der jeweils nicht geteilten Glaubensausprägung als schräg und damit der eigenen als einzig senkrechten nimmt immerhin noch Stellung. Es gibt allerdings keine Wasserwaage, die anzeigt, welcher Glaube nun der schräge und welcher der senkrechte ist. Die Deutschen Christen fanden den Glauben der bekennenden Kirche reichlich schräg. Für jüngere Leser: die Deutschen Christen waren diejenigen, die sich dem politischen System, das von 1933 bis 1945 herrschte, ebenso verpflichtet fühlten wie sich die meisten der jetzigen Christen dem derzeitigen demokratischen System verpflichtet fühlen.

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"Der Apostel Paulus versichert uns, dass echter christlicher Glaube basiert auf WISSEN, das zur Gottesfurcht führt".
So lautet der erste Satz aus dem Buch "The Path of True Godliness" von Willem Teellinck, einem niederländischen Reformator (1579-1629). (engl. Ausgabe, Verlag Baker Academics)

Schaut man sich das Buch von Philipp Melanchton "Glaube und Bildung" (Reclam) an, oder das Buch von Augustinus "Die christliche Bildung" (Reclam), - oder auch nur irgend ein ernstzunehmendes Buch irgendeines christlichen Theologen - so wird jeder bestätigen: zum Glauben ist auch ein gewisses Mass an WISSEN unabdingbar.

Der Prophet Hosea sagt z.B. "Mein Volk geht zugrunde aus Mangel an Erkenntnis".

Die Bibel und unsere christlichen Vorfahren waren sich also einig: JA, man MUSS manche Dinge wissen, das gehört zu einem soliden Glauben dazu.

Wer daran philosophische Zweifel hat, lese Alvin Plantinga's Buch "Warranted Christian Belief".

Wäre sehr schön, wenn Chrismon nicht mehr solche undurchdachten Artikel platzieren würde.

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Zu dem Beitrag von "Ivan der Schreckliche": doch, es gibt durchaus einen Masstab, um zu pruefen, was der "richtige" und was der "falsche" Glaube ist - nämlich die Heilige Schrift. Und die Auslegung der Heiligen Schrift ist eben nicht immer subjektiv. Dazu das sehr gute Buch "Effektives Bibelstudium" von Fee / Stuart, in dem die verschiedenen literarischen Gattungen der Bibel dargestellt werden. Das, was deutlich als Gleichnis gemeint war, ist auch als Gleichnis auszulegen. Aber das, was als historischer Bericht geschrieben ist, ist auch so zu lesen: als zutreffender Tatsachenbericht. Das, was als Brief oder in Prosa als Lehrtext dasteht, ist meistens wörtlich zu nehmen, unter Einbeziehung des historischen Kontextes.
Jedenfalls koennen sich zwei Leute, die die Bibel von vorne bis hinten durchlesen, sicher über 90% einig sein, was denn nun drinsteht.
Entsprechend kann man auch urteilen, was nun korrekter Glaube ist und was nicht.

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Immer wieder werden Glauben und Wissen einander gegenüber gestellt. Damit hat man aber das falsche Gegensatzpaar gewählt. Dem Glauben steht nicht Wissen gegenüber, sondern der Unglaube. Und dem Wissen steht nicht der Glaube entgegen, sondern die Unwissenheit. Glaube ist zunächst ein "Vorschuss an Vertrauen" zu Gott. Da Gott sich offenbart und erfahrbar macht, wird aus diesem Vorschussvertrauen eine Gewissheit. Wenn man sich etwas gewiss ist, dann "weiß" man, was man an sich erfahren hat. Mit "Wissen" im engeren Sinne hat das nichts zu tun. Das "Wissen des Glaubens" ist die Sicherheit, dass der sich offenbarende Gott uns und sich selbst treu bleibt, dass er unser Vertrauen rechtfertigt. Aber eins ist mit Sicherheit richtig: Je mehr ich über meinen Glauben, die Lehren der Kirche und die Zusammenhänge in Religion und Gesellschaft weiß (im Sinne von: Wissen haben), um so weniger anfällig bin ich für Hirngespinste, Machtgelüste und "fromme Verführungen", mit denen mich Menschen an sich, an eine Organisation, aber bestimmt nicht an Gott binden möchten.

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Autor des folgenden Beitrages ist Iwan der Schreckliche. Gast schrieb am 7. April 2012 um 22:58: "es gibt durchaus einen Masstab, um zu pruefen, was der "richtige" und was der "falsche" Glaube ist - nämlich die Heilige Schrift." Nein, die Bibel ist gerade kein Maßstab, sondern eine Berufungsinstanz. Wann immer Gläubige sich in die Haare kriegen wegen des richtigen Glaubens, - egal, ob sie sich bei dieser günstigen Gelegenheit gleich im großen Stil gegenseitig meucheln oder den hiesigen mehr modernen Bräuchen folgen und nur Internetdebatten führen - wissen beide Seiten die Bibel jeweils auf ihrer Seite. Das gilt für die Zankereien der christlichen Konfessionen untereinander ebenso wie für die Debatten innerhalb der Kirchen zwischen den Fundis, den Mainstreamlern, den Modernen oder wem auch immer. ___________________ Zitat: "Jedenfalls koennen sich zwei Leute, die die Bibel von vorne bis hinten durchlesen, sicher über 90% einig sein, was denn nun drinsteht." Was drin steht, kann auch ein Computer ausspucken. Was man sich allerdings zu dem, was drin steht, denken soll, darüber herrscht gerade keine Einigkeit. Der Verweis auf die berühmten verschiedenen Literaturgattungen ändert nichts daran. Die Klassifizierung eines Textes als Bericht sagt nichts darüber aus, warum in welcher Richtung gelogen wurde oder gelegentlich vielleicht sogar Zutreffendes zu Papyrus gebracht wurde. _______________________ Wenn zwei sich streiten, ob der Schrank durch die Tür passt, kann der Griff zum Maßstab die Entscheidung bringen. Wenn zwei sich streiten, wer oder was Gott sei, bringt der Griff zur Bibel gerade nicht die Entscheidung. Jeder klaubt sich raus, was ihm gefällt. Gott als vor lauter Liebe vergehendes Kuscheltier? Kein Problem, die Bibel liefert genügend Belege. Gott als Richter, mit dem nicht zu spaßen ist? Ebenfalls kein Problem, die Bibel dafür als Zeuge aufzurufen. Oder der Gläubige wird methodisch und sucht sich in diesem hübschen Zauberkasten von der Verbal- über die Realinspiration, den vierfachen Schriftsinn, diverse Entmythologisierungsprogramme bis hin zur sogenannten materialistischen Bibellektüre etwas raus, was ihm in den Kram passt.

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Die Argumente von Iwan sind nicht zu übersehen. Er verdeutlicht das, was uns Christen trennt, die Einigkeit in Glaubensfragen und somit die Frage, was den nun richtig ist zu glauben oder zu wissen. Eine Antwort für Christen (nicht für Atheisten, weil die ja nicht an Jesus glauben) dürfte eigentlich nur das sein, was Jesus selbst sagte oder von ihm überliefert wurde. Die gesammte Bibel einschließlich des neuen Testamentes kann für Christen immer nur im Zusammenspiel mit Jesus selbst gelesen werden. Sonst wäre es kein "Glaube" an Jesus sondern ein Konglomerat aus den Schriften der Bibel. Wenn etwas in der Bibel dem widerspricht, was von Jesus selbst überliefert ist, dann sollte es für Christen keinen Wert haben. Deshalb sind wir Christen und keine Biblisten. Wissen im christlichen Sinne kann deshalb immer nur in der Überprüfung des Wissens durch das was von Christus überliefert wurde dem christlichen Glauben entsprechen. Für Atheisten oder Menschen die nicht an Jesus glauben gilt dies natürlich nicht. Für sie gibt es keinen Bezug zu Jesus, keinen Glauben an ihn, keine christliche "Glaubensgewissheit". Um es noch deutlicher zu machen. Da Gott durch Jesus selbst Mensch wurde, gilt sein Erbe als das, was für uns Christen wichtig ist. Selbst die Apostel waren Menschen, Jesus ist für Christen Gott (Dreieinigkeit). Die Meinung eines Apostels kann nur im Licht von Jesus bestehen. Jegliches Wissen, dass nicht Jesus entspricht, egal ob Bibel oder nicht, dürfte deshalb für Christen (Nachfolge von Jesus) nicht relevant sein. Für einen Mensch atheistischen Glaubens hat das alles keinen Wert, für Christen sollte es wichtig sein wem sie folgen. Der Bibel als ganzem oder Jesus Christus. Das ist zumindest meine Meinung zum Thema.

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Autor des folgenden Beitrages ist Iwan der Schreckliche. Gast schrieb am 10. April 2012 um 20:18: "Jegliches Wissen, dass nicht Jesus entspricht, egal ob Bibel oder nicht, dürfte deshalb für Christen (Nachfolge von Jesus) nicht relevant sein." Das ist ein erfreulich klares Bekenntnis zum Irrationalismus. Das Wissen hat nichts zu bestellen, wenn Jesus was anderes gesagt hat. Diese christliche Glaubensvariante eiert immerhin nicht herum. Gefährlicher sind da schon andere Glaubensausprägungen, die den Widerspruch zwischen Wissen und Glauben leugnen oder auf andere Weise aufzuheben oder zu versöhnen suchen.

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Autor des folgenden Beitrages ist Iwan der Schreckliche. Burkhard Weitz schrieb am 16. April 2012 um 12:58: "- ein intuitives Verstehen, das sich nicht wie ein Wissenskanon abrufbar lässt? " Es gibt kein intuitives Verstehen, auch wenn diese Ausdrucksweise sehr beliebt ist. Wer etwas versteht, kennt die Gründe für das, wovon er behauptet, er verstünde es. Er kann diese Gründe auch vertreten gegenüber anderslautenden Auffassungen. Verstehen setzt die vorsätzliche gedankliche Auseinandersetzung mit dem Objekt des Verständnisses voraus. Sonst liegt kein Verständnis vor. Intuition hingegen bezieht sich im Gegenteil darauf, dass einem irgendein Einfall oder Gedanke oder Entschluss auf welchem Wege auch immer zugekommen ist, auf jeden Fall nicht auf dem Weg der kritischen und selbstkritischen begrifflichen Bemühung. ________________________________ Wer also allen Ernstes behauptet, er verstünde, worauf eine Gestalt hinaus wollte, die vor rund 2000 Jahren gelebt haben mag und von der man nur sicher weiß, dass man fast nichts von ihr weiß, sollte seine Gründe für dieses von ihm behauptete Wissen sehr wohl darlegen können. Da hilft es weder, sich auf Intuition zu berufen, noch diese Nachfrage madig machen zu wollen mit der Formulierung "abrufbarer Wissenskanon". Es mag ja sein, dass die Vorstellungen, die Herr Andreas von Herrn Jesus hat, einer Kritik nicht standhalten. Seiner Behauptung, dass der Glaube an einen Messias allerdings voraussetzt, dass man überhaupt weiß, was ein Messias für einen tollen Job zu erledigen hat, ist voll zuzustimmen.

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Um zu glauben, muss man nicht viel wissen, außer, dass diese unsere Welt Nichts ist, auch der s.g.n. demokratische Rechtsstaat, aber es ist wichtig, mit diesem "Nichts" umgehen zu können. Dafür kann der Glaube sehr nützlich sein.
Und er ist alles, was zählt. Umgekehrt, wenn man viel weiß, ist man vor Gott auch nicht sicher. Es ist gut, IHN zum Freund zu haben, sage ich recht unorthodox, denn auf die Menschen ist im Allgemeinen kein Verlass! Gabriell

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Autor des folgenden Beitrages ist Iwan der Schreckliche. Burkhard Weitz schrieb am 19. April 2012 um 10:35: "dass das intuitive Einverständnis über das, wohin Jesus der Herr die Christenheit führt, nicht mehr reichte - wie es ja auch hier im Forum der Fall zu sein scheint -" Jesus führt also die Christenheit. Wohin? Wie macht er das, wo er doch schon seit längerem verstorben ist? Oder ist er doch nicht so mausetot wie die Normalsterblichen es üblicherweise werden? Warum lassen sich die Christen denn führen? Welche Hoffnungen verbinden sie mit dieser Führung? Das Vertrauen auf Führer oder geistige Führung soll schon öfters - hinterher durfte man es sogar laut sagen - ziemlich übel für die Geführten ausgegangen sein. _______________________________ Erst nach Klärung dieser Fragen würde ich es von Bedeutung finden, ob die Führung auf einem intuitiven Einverständnis beruht oder umfangreicher Druckwerke und universitärer Unterabteilungen bedarf, die mit dem Anspruch von Wissenschaftlichkeit solche Werke und Werke über diese Werke usw. produzieren.

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"Um nicht auf falsche Lehren hereinfallen (...) muss ich ja das Evangelium kennen. ", schreibt Gast, am 3. April 2012, 12:57. Aber ist es denn nicht selbstverständlich, dass man Inhalte kennenlernt, Gottesdienste besucht, die Bibel liest, Lesungen hört ? Über Paulus steht es, in der mir vorliegenden Bibel: "geborener Pharisäer und gebildeter Gesetzeslehrer mit der jüdischen Theologie vertraut, ..."-----------------------------------------------------------------------
"Religiöse Lehren zu kennen, hat mit Glauben erstmal nichts zu tun." Dieser Satz aus dem Text von Herrn Weitz ist schon einmal eine Irreführung, denn was ist der Unterscheid zwischen einer religiösen Lehre und dem Glauben? Die Religiöse Lehre ist doch nichts anderes als der Glaubensinhalt, der immer mehr vertieft wird, wozu also eine solche unsinnige Differenzierung ? Und warum ist es wichtig, ob Paulus schon endgültige ausgereifte Gedanken hatte? Ist es nicht vielmehr einerseits sehr wahrscheinlich dass er als Apostel des Messias noch sehr authentisch und wahrhaftig war, andererseits auch der Kirche ein genügend Erbe hinterließ , welches vielleicht im Laufe der Zeit nicht immer beachtet wurde ?
Und es ist eindeutig, dass ein Glaube ohne Inhalt, ohne Wissen, eine nur geringe Bedeutung hat, und das ist der christliche Glaube nicht. Das Manna ist wichtiger als Opium, welches nur betäubt, doch betäubte Sinne schmecken den feinen Geschmack des Manna nicht mehr, so ist es also wichtig, sich wieder zu sensibilisieren. Wofür? Für die tieferen Schichten der Bibel, ohne Marketing. ------------------------
" Denn es verlangt mich, euch zu sehen, um euch etwas mitzuteilen an geistlicher Gabe zu eurer Stärkung." Römer 1,11, -------------------------------------------
Vielen Dank für den Hinweis auf Paulus.

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Die Meinung des Autors , „Eigentlich nichts.“ wissen zu müssen, um zu glauben, teile ich nicht. Schon die ersten Christen sahen das anders: Spätestens die Überzeugung, dass Jesus der Christus ist, was interessanterweise sogar in vorliegendem Artikel erklärungsbedürftig zu sein scheint („also der Messias“), verdeutlicht ja schon, dass christlicher Glaube nicht ohne Wissen auskommt. Sollte sich mit der hier vorgenommenen Propagierung von Glauben die Vorstellung eines für alle niederschwellig und leicht zugänglichen mystischen Nebels verbinden, halte ich es lieber mit dem „systematische(n) Nachdenken“. Dieses schützt mich davor, vermeindlichen Elementarisierungen christlicher Inhalte in der Form von Banalisierungen auf den Leim zu gehen. Was in vorliegendem Fall herauskommt, ist u.a. eine von Halbwissen geprägte Institutionskritik, die von „Kirchenfürsten“ weiß und von „Bevormundung“ spricht und meint, damit christliche Freiheit verstanden zu haben. religion für aussteiger!