Illustration: Marco Wagner
Resolut und fantasievoll
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
14.09.2011

50 Gulden: Das war die Summe, die Martin Luther seiner Frau Katharina bot, wenn sie die ganze Bibel lesen würde. So viel etwa kosteten damals zwei Fässer Wein, und von diesem Geld konnte ein Pfarrer monatelang leben. Bezahlen musste Luther nie, denn für solche Geschäfte war die fromme, bibelkundige Katharina von Bora nicht zu haben. Andere 50 Gulden wollte sie hingegen gern nehmen: Doch als der Mainzer Kardinal Albrecht ihr diese Summe als Anerkennung für ihre Arbeit schenken wollte, verbot ihr Luther die Annahme. Katharina lenkte scheinbar ein, ließ aber den Gesandten unbemerkt zurückkehren und nahm das Geld in Empfang.

Die frühere Nonne hatte das Wirtschaften und Diskutieren gelernt

Katharina von Bora wird heute gern als Frau beschrieben, die eine enorme Doppelbelastung schulterte: in der Familie und als Wirtschafterin. Sie, die ehemalige Nonne mit einer ausgeprägten Freude an theologischen Unterhaltungen, war aber auch die einzige Frau, die an Luthers Tischgesprächen mit all den Studenten, Profes­sorenkollegen und Glaubensflüchtlingen teilnahm. Ihre Äußerungen wurden später allerdings aus den Protokollen gestrichen. Überhaupt fehlen schriftliche Quellen weitgehend, selbst Luther bewahrte die vielen Briefe seiner Frau nicht auf. Und die bösartigen Flugschriften über die „entlaufene Nonne“ lassen erst recht keine Rückschlüsse auf ihr wirkliches Leben zu. 

Aus armen Verhältnissen stammend, war sie mit fünf Jahren in ein Benedik­tinerkloster gekommen – ihr verwitweter Vater zahlte damals 30 Groschen, um sie dort unterzubringen. Mit zehn Jahren kam sie zu den Zisterzienserinnen nach Nimbschen bei Grimma, legte dort mit 16 Jahren ihre Gelübde ab. Im Kloster lernte sie lesen und schreiben. Das konnten damals nur fünf Prozent der Bevölkerung. So war sie später in der Lage, die Briefe ihres Mannes zu lesen, in denen es um komplizierte ­Fragen wie die Abendmahlstheologie ging. Dank ihrer Klosterzeit wusste sie auch, wie man eine Gutsherrschaft verwaltet, Gärten und Felder bewirtschaftet, ja, auch wie man ein Prunkessen ausrichtet.

Katharina nahm ihren Mann Martin Luther gezielt an die Hand

Katharina führte selbstbewusst das „Wirtschaftsunternehmen Luther“ – ihr Mann verstand vom Geld sehr wenig. Und sie brachte drei Töchter und drei Söhne zur Welt. Ihr Lebenszentrum: das zur Herberge ausgebaute Schwarze Kloster, das ehemalige Augustinerkloster von Wittenberg, das der sächsische Kurfürst Johann der Beständige ihnen zur Hochzeit geschenkt hatte.

Ihres Adelsstandes war sich Katharina sehr bewusst, auch wenn sie nicht standesgemäß, aber immerhin einen Theologie­professor geheiratet hatte. Sie hielt sich an die gesellschaftlichen Spielregeln, sprach ihren Mann in der Öffentlichkeit mit Sie an, respektierte, dass ihr Mann wie alle anderen Ehemänner das „Recht der Oberaufsicht“ über die Haushaltsführung hatte. Aber sie nahm ihren Mann gezielt an die Hand.

Bei so viel Engagement war Streit programmiert

Katharina handelte mit einem hohen Maß an Selbstständigkeit. Sie betrieb das „Studentenwohnheim“ mit bis zu vierzig Bewohnern. Sie kümmerte sich um Krankenstation und Kinderhort, um die Gutsverwaltung mit Hühnern, Ziegen, Kühen und Pferden, mit Fischteichen, zeitweise drei großen Gärten, um den An­bau von Getreide und Pfirsichen. Sie verwaltete die Brauerei des ehemaligen Klos­ters. Ein Vergleich: Von Melanchthons Frau ist nur bekannt, dass sie einen Kräuter­garten unterhielt. Im Laufe der Jahre erwarben die Luthers ein kleines Gut bei Wittenberg und von ihrem verarmten Bruder das Gut Zülsdorf, wo sie sich fortan häufiger aufhielt. Bei so viel Engagement war Streit programmiert: Immer wieder flogen die Fetzen zwischen „Herrn Käthe“ und Luther, der sich schließlich in seine ­Arbeit zurückzog und Katharina das Wirtschaften überließ.

Luther setzte sie in seinem Testament als Alleinerbin und Vormund seiner Kinder ein. Das widersprach dem sächsischen Landesrecht. Deshalb ließ sich Katharina nach Luthers Tod das Testament vom Kurfürsten bestätigen. Dennoch geriet sie in wirtschaftliche Not: Im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 wurden ihre Güter sehr beschädigt, das Schwarze Kloster verlor seine Bedeutung. Vor der Pest floh sie, wie die meisten Universitätsmitglieder, nach Torgau. Dort starb die couragierte Frau an den Folgen eines Unfalls.

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Das Gut Zülsdorf (Zöllsdorf) , welches Luther 1540 erwarb, lag südlich von Neukieritzsch bei Leipzig. Dies hatte Folgen für die Reformationserinnerung. Als Sachsen nach dem Wiener Kongress die Lutherstätten in Wittenberg und Torgau an Preußen verloren hatte, stieg die Wüstung Zöllsdorf zum sächsischen Erinnerungsort an Luther und seine Frau Käthe auf. 1817 feierte man hier einen Jubiläumsgottesdienst und setzte einen Gedenkstein mit der unzutreffenden Aufschrift: "Hier wohnte Dr. Martin Luther". Ein 1883 dort errichtetes Denkmal, auf dem die Medaillons von Katharina und Martin Luther zu sehen sind, steht heute auf dem Markt von Neukieritzsch. Der Erinnerungsort Zöllsdorf fiel 1990 dem Braunkohletagbau zum Opfer. Dr. Sebastian Kranich, Halle/Heidelberg