Wohnglück-Blog - Kaufhäuser zu Wohnungen
Alexander Schimmeck/Unsplash
Kaufhäuser zu Wohnungen
Mit einem neuen Gesetz können Kommunen und Städte jetzt Bodenspekulation bekämpfen und leer stehende Geschäftshäuser umwidmen. Das ist gut - trotz aller Kritik.
Tim Wegner
09.05.2021

Letzte Woche hat die Bundesregierung ein Gesetz beschlossen, dessen Namen typisch ist für die sperrigen Begriffe rund ums Bauen: Das „Baulandmobilisierungsgesetz“. Entweder wird abgekürzt, oder es wird so kompliziert formuliert, dass der gleiche Effekt eintritt: Niemand weiß, worum es eigentlich gehen soll.

In diesem Fall allerdings ist der Titel des Gesetzes so schön lang, dass man ihn gut auseinander friemeln kann: Bau-Land-mobilisieren. Das verstehe auch ich sofort, denn schließlich suche ich nach neuen Wohn- und Lebensformen. Und ohne den Grund und Boden, auf dem diese neuen Wohnformen entstehen können, geht es nun mal nicht.

Die Donut-Dörfer – innen hohl, außen fettig

Über das Baulandmobilisierungsgesetz wurde lange und intensiv gestritten. Besonders ein Paragraf hat es in sich, der nun verlängert wird. Der sogenannte Betonparagraf 13b Baugesetzbuch, der es (meist) ländlichen Kommunen relativ problemlos erlaubt, weitere Flächen für den Neubau freizugeben. Also noch mehr Eigenheim-Neubaugebiete im Speckgürtel ländlicher Gemeinden, noch schnellere Flächenversiegelung, noch mehr hässliche "Donut"-Dörfer, innen hohl, außen fett. Wütend kommentierte Fachjournalist Gerhard Matzig in der Süddeutschen Zeitung: "Bürgermeister und Landräte, die Finanzwirtschaft, die Baubranche und diverse Ex-Bauern, die zu vermögenden Wiesen-Maklern degenerieren: Sie alle lieben dieses Instrument, das einem riesigen Betonmischer zum Gelddrucken gleicht. Es ist das exakte Gegenteil von Gemeinwohl, Nachhaltigkeit und Zukunft."

Gut für den sozialen Wohnungsbau

Recht hat er. Auch mich schüttelt es beim Blick auf die angeblich so idyllischen Eigenheim-Wüsten, doch ich lebe mitten in Hamburg. Und da verödet gerade unsere Innenstadt. So wie in allen Großstädten werden reihenweise Kauf-, Park- oder Geschäftshäuser geschlossen und stehen leer. Das neue Gesetz ermöglicht es, diese leer stehenden Gebäude schneller umzuwidmen. Das Gesetz erschwert die Bodenspekulation, fördert den sozialen Wohnungsbau. Und das gilt für Großstädte natürlich genauso wie für die verödeten Dörfer oder Kleinstädte auf dem Land (Donut = innen hohl). Auch dort gibt es leere Geschäfte, verwaiste Büros - die könnten zu familienfreundlichen Wohnungen werden, und schon muss der Speckgürtel nicht mehr wachsen.

Ich finde es spannend, wie unterschiedlich Gesetze betrachtet und ausgelegt werden können. Gerade beim Bauen gibt es wenig ganz schwarz und ganz weiß, das wissen alle, die beispielsweise Gemeinwohl-Projekte vorantreiben wollen, und irgendwann auch darüber sprechen müssen, das sich eine Vermietung rentieren muss, damit das schöne Projekt zum Leben erweckt wird.

Wer weiterhören möchte - ein wahrer Fundus an guten Berichten zu diesem Thema, vor allem auch aus kleinen Kommunen, ist der Länderreport im Deutschlandfunk Kultur; zum Beispiel die Elbstadt Wittenberge, die der Verödung trotzt; oder die Berliner Randgemeinde Velten, die sich mit erstaunlichen Methoden gegen Pendler aus der Hauptstadt wehrt.

Und noch ein Hörtipp; von wegen, alles hat zwei Seiten...Nach diesem Interview mit dem Immobilienmillionär Christoph Gröner musste ich mein Feindbild vom ausschließlich bösen Immobilienmagnaten relativieren. Titel der Sendung in der Tacheles-Reihe vom Deutschlandfunk: "Vom Versagen der Politik und dem Wunsch zu bauen".

 

 

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Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Was muss sich baupolitisch ändern? Wohnlage-Autorin Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach. Alle zwei Wochen.