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Italien hat schon im März eine Impfpflicht für Pflegekräfte eingeführt, nun folgen Frankreich, Griechenland, England, Lettland. In Deutschland soll es keine geben, sagt Angela Merkel. Noch, würde ich mal vorsichtig einfügen. Der Ruf wird auch hierzulande lauter. Das Klinikum Ludwigshafen stellt Pflegekräfte in der Probezeit vor die Wahl: Corona-Impfung oder Kündigung. Und lässt ungeimpfte Mitarbeiter nicht in die Führungsetage aufsteigen.
Was spricht für eine Impfpflicht in der Pflegebranche? Alte und kranke Menschen müssen davor geschützt werden, sich beim Personal anzustecken. Außerdem drängt die Zeit wegen der Virusmutationen. Trotzdem ist eine Pflicht der falsche Weg. Sie nimmt den Pflegekräften die Möglichkeit, selbst über ihren Körper zu bestimmen, so wie es der Rest der Bevölkerung tut. Und sie ist ein Zeichen des Misstrauens.
Es geht auch ohne Pflicht
Man könne jetzt nicht auf alle Befindlichkeiten eingehen, mag man einwenden. Ich halte das nicht für klug. Wer es vorher noch nicht wusste, hat in der Pandemie gelernt: Ohne Pflegekräfte geht nichts. Damit wir genug haben, muss sich einiges ändern. Zum Beispiel in der Wertschätzung. Diese drückt sich darin aus, dass man mit den Berufsangehörigen auf Augenhöhe kommuniziert. Dass man nicht über sie hinweg entscheidet, sondern gemeinsam nach Lösungen sucht.
Die Pflegeverbände sagten schon im Januar, als Markus Söder die Debatte um die Impfpflicht für die Pflege anstieß, das würde eher Widerstand provozieren. Sie stellten auch infrage, dass es sich bei den zögernden Pflegenden um echte Impfgegner:innen handelt. Die Entwicklung gab ihnen Recht. Wie in der Gesamtbevölkerung stieg auch unter den Pflegenden die Bereitschaft, sich impfen zu lassen. In den Altenheimen, in denen es besonders schleppend anlief, sind mittlerweile etwa 60 Prozent der Pflegekräfte zweimal geimpft. In den Krankenhäusern etwa 80 Prozent. Das ist noch nicht genug, aber es zeigt: Es bewegt sich etwas, auch ohne Impfpflicht.
Viel zugemutet, wenig zugetraut
Pflegekräfte wurden in der Pandemie extrem gefordert und an "die vordere Front" geschickt. Sie haben ihre Arbeit sehr gut gemacht. Und jetzt meint man, sie wieder an die Hand nehmen zu müssen? Die Diskrepanz zwischen dem, was man Pflegenden zumutet und dem, was man ihnen zutraut, war immer groß. Das macht viele unzufrieden und ist mitverantwortlich für den frühen Berufsausstieg. Statt einer Impfflicht sollte die Politik mit den Pflegeverbänden reden und überlegen, wie man die Impfquote erhöhen kann. Das Ziel haben ja beide.