- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
An Ostern habe ich regelmäßig ein Problem. Es ist mit anderen schwerwiegenden Herausforderungen des Lebens nicht vergleichbar, aber trotzdem beschwerlich. Nein, es handelt sich nicht um das, was es zu essen gibt. Das ist vorher klar, wie Sie vermutlich ahnen. Mein Mann und ich schätzen Traditionen - schon in der Karwoche. Kräutersuppe am Gründonnerstagabend, Fisch für Karfreitag, Karsamstag vegetarisch und schlicht. An den Ostertagen wechseln wir vom Brunch mit Freunden zu einem kleinen Restaurantbesuch oder einem einfachen, gemütlichen Abendessen zuhause.
Aber es gibt neben den Mahlzeiten noch andere Dinge zum Futtern. Essbare, zuckrige Osterhasen und -häsinnen in allen Größen und Farben, Hühner, Enten, Einhörner und Engelchen aus Schokolade, Lämmchen aus Teig. Ich kann süße Eier verputzen, aber keine solchen „Lebewesen“. Wenn man sich bei den Menschen umschaut, die das fertigbringen, sieht man unterschiedliche Herangehensweisen. Die meisten beißen bei den Hasen zuerst die Ohren ab. Andere fangen unten an den Pfoten an, zerteilen die Figuren in ihrer Verpackung oder knuspern heimlich etwas ab und wickeln die Reste wieder ein.
Erschreckend: Einige zerquetschen alles mit der Faust - oder drehen Hasen, Lämmchen und Engeln den Kopf ab. Logisch, dass sich Interpreten finden, die daraus Rückschlüsse auf die Psyche der „Täter“ und „Täterinnen“ ziehen. Ich beteilige mich an diesen Deutungen besser nicht, auch wenn es verlockend wäre, Mitmenschen einmal auf diese Weise einzuschätzen. Ich befürchte nämlich, dass ich ebenfalls unter Verdacht gerate. Was ist los mit Menschen wie mir, die aus Sentimentalität Schoko-Osterhasen und Ähnliches nicht anrühren, sondern bis in alle Ewigkeit lagern? Und womöglich irgendwann wegwerfen? Auch nicht nett.
Jedes Jahr hoffe ich deshalb, höchstens Eier aus dunkler Schokolade zu bekommen, mit viel Schmelz …. Ich denke an Blätterkrokant, Nougat und Tartufi, zur Abwechslung auch mal weiße Schokolade mit Mango oder zartbitter mit Orange. Fair gehandelt, die Auswahl ist ja erfreulich groß. Insgesamt sollen übrigens in den letzten Jahren rund 220 Millionen Osterhasen pro Auferstehungsfest produziert worden sein. Dem stehen „nur“ 145 Millionen Schoko-Weihnachtsmänner gegenüber. Ihnen geht es beim Verzehr aber auch nicht besser als den knuffigen Fruchtbarkeitssymbolen. Für mich bitte weder das eine noch das andere!
Damit niemand nachfragen muss: Natürlich kommen bei uns erst recht keine Hasen und Lämmchen aus Fleisch auf den Tisch. Das würde ich nicht übers Herz bringen. Eine Riesenfreude zu Ostern haben uns vor ein paar Jahren zwei Nachbarinnen gemacht. Vor die Türe stellten sie einen geflochtenen Hasen mit Körbchen am Bauch. Das war mit feinen Gelee- und Schokoeiern gefüllt. Seitdem steht Oskar, so heißt der Hase, auf dem Balkontisch und trägt stets ein Blümchen bei sich. Jetzt gerade sind es - passend zur Kirchenjahreszeit - Primeln. Oskar ist nicht allein bei uns, sondern auch bei den Eichhörnchen beliebt, die munter auf ihm herumklettern.
Sie haben ihn zum Fressen gern. So wie wir. Aber man muss sich nicht alles einverleiben, was man mag.
Vom Blog zum Buch:
Sie wollen mehr lesen? Dann gibt es jetzt das Buch dazu von Susanne Breit-Keßler