Zwei junge ermordete Hazara-Frauen: Hajar und Marzia
Luftbruecke - Hajar und Marzia
Afghan Women news agency
Bleibt Bildung ihre einzige Waffe?
Wie lange wird das Morden noch dauern? Viele Hazara in Afghanistan sterben, nur weil sie einer bestimmten Volksgruppe angehören. Unter ihnen viele junge Frauen.
Tahora HusainiPrivat
04.10.2022

Stellen Sie sich ein Mädchen in einer Provinz weit weg von Kabul vor, das in Armut lebt. Ihre Eltern sparen alles, was sie können, damit sie zur Universität gehen kann. Sie macht sich auf den weiten Weg zu einem Bildungszentrum namens "Kaaj" in Dasht-e-Barshi, wo Jugendliche ausgebildet und auf die Aufnahmeprüfungen für die Universität vorbereitet werden.

Am frühen Freitagmorgen ist die Vorbereitungsprüfung. Fast 500 Jugendliche sitzen auf den Stühlen und fiebern den Prüfungen entgegen und das Mädchen wiederholt zusammen mit allen anderen die Worte des Lehrers: "Ich, als die neue und bewusste Generation, eine Generation, die der Waffen und Gewalt überdrüssig ist verspreche, dass ich trotz aller Schwierigkeiten im Leben nicht aufgeben und mich mehr als alle anderen für eine bestimmte, fleißige und freie Gesellschaft einsetzen werde."

Sie erhält die Prüfungsunterlagen und beginnt aufgeregt die Fragen zu lesen, da hört sie Schüsse und dann BOOM...

Die lokalen Nachrichten berichten von mehr als 50 Toten und über 100 Verletzten - vor allem Mädchen. Einige Frauen gingen auf die Straße, um zu protestieren und "Stoppt den Völkermord an den Hazara" zu schreien und wurden gewaltsam angegriffen. Sie gingen in die Krankenhäuser, um Blut zu spenden, aber ihnen wurde gesagt, dass die Krankenhäuser kein Blut von Frauen annehmen würden. Ein Vater wollte die Leiche seines Kindes holen und wurde geschlagen und weggeschickt.

Es gab hier mal einen einigermaßen sicheren Ort

Das Kaaj-Bildungszentrum hieß früher Mawood und wurde 2018 angegriffen. Der Name wurde in Kaaj "Pine" geändert und die vorherige Regierung sorgte für Sicherheit. Als die Taliban die Macht übernahmen, verließen die Sicherheitsleute den Ort.

Dasht-e-Barshi liegt im Westen Kabuls und ist ein sehr trockenes Gebiet, in dem nichts wächst. Anfang 2000 zogen Hazara und Schiiten aus anderen Provinzen dorthin, da sie es sich nicht leisten konnten, woanders zu leben und bald darauf wurde es zu einem sicheren Ort für Hazara und Schiiten, an dem sie ihr Leben und ihre Religion so ausleben konnten, wie sie es wollten. Als ich das erste Mal dort war, sah es aus wie in einer Wüste, und es wurden kleine Lehmhäuser gebaut, in denen viele Menschen zusammenlebten. Dieser Teil Kabuls entwickelte sich später zu einem kulturellen und zivilisierten Teil der Stadt. Kinos, Kulturhäuser, Sporthallen, Bildungszentren, Universitäten, Krankenhäuser, Entbindungskliniken, schiitische Moscheen - all das wurde bombardiert und viele Menschen starben.

So viel Hass, so viel Mordlust

Die meisten Menschen, die in Dasht-e-Barchi leben, sind arm und die einzige Waffe, die sie im Kampf gegen Diskriminierung und Gewalt einsetzen, ist Bildung.

So viel Hass gegen Frauen, andere Ethnien gegen Schiiten. Die völlige Überzeugung im Recht zu sein. Es hat schon vor langer Zeit begonnen, als die Männer an der Macht immer wieder verkündeten, dass die Hazara nicht zu Afghanistan gehören. Die Hazara wurden ständig gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und in arme und trockene Gebiete zu ziehen. Sie wurden massakriert. ISIS und Taliban haben es in den letzten zwanzig Jahren auf sie abgesehen. Seit die Taliban die Macht übernommen haben, gab es über zwanzig Angriffe auf Hazara. In Mazar schrieben Taliban-Mitglieder an die Wand, dass Usbeken nach Usbekistan, Tadschiken nach Tadschikistan und Hazara auf den Friedhof gehen sollen. Das Ziel dieses Regimes ist es, Afghanistan zum Friedhof der Hazara zu machen, das ist allen klar. Es stellt sich die Frage, ob die Hazara immer noch Bildung wählen, um gegen so viel Hass und Gewalt zu kämpfen, deren einziges Ziel es ist, sie zu eliminieren.

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Kolumne

Tahora Husaini

Die afghanische Frauenrechtlerin Tahora Husaini hat über ein Jahr lang in ihrer Kolumne über ihr Leben in Deutschland, das Schicksal ihrer Landsleute in der alten Heimat und das einstige Leben in Kabul geschrieben. Die letzte Folge der Kolumne erschien im Mai 2023