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Die bildende Kunst, aber auch der Kunstmarkt sind stark auf Individualität ausgerichtet: Eine einzelne Person schafft aus sich heraus etwas Unverwechselbares und Neuartiges. So kann sie zu einer erfolgreichen Marke werden.
Dagegen hat sich zu Recht Widerstand geregt. Künstlerinnen und Künstler wollen nicht in vermeintlicher Genialität vereinsamen, sondern gemeinsam aktiv werden. Dass dieses verständliche Motiv allerdings auch in die Irre, nämlich in die Verantwortungslosigkeit, führen kann, hat vor kurzem die Documenta gezeigt.
Und mir geht beim Wort „Kollektiv“ diese Assoziation nicht aus dem Kopf. Im Frühsommer erklärte mir auf einer Lesung aus meinem Einsamkeitsbuch eine aus Russland stammende Zuhörerin: „Ich war nie so einsam wie damals in der Sowjetunion. Denn da mussten wir alles im Kollektiv machen.“
Zum Glück gibt es jenseits von Individualität und Kollektivität noch etwas Drittes: Kunst-Freundschaften. Was sie bedeuten und leisten können, zeigt jetzt eine Ausstellung des Berliner Stadtmuseums in der Nikolai-Kirche und gleich nebenan im Ephraim-Palais: „Aufbrüche. Abbrüche. Umbrüche. Kunst in Ost-Berlin 1985-1995“.
In der ausgehenden DDR war es unverzichtbar, sich zu verbünden: um sich wechselseitig Mut zu machen, einander wahrzunehmen, gemeinsam etwas zu gestalten und auf die Beine zu stellen, miteinander zu feiern. Dabei ging man nicht in einer Schule auf oder in einem Kollektiv unter, man blieb eigenverantwortliche Künstlerpersönlichkeit, war aber nicht isoliert in seiner Randexistenz.
Auch in der Übergangszeit nach dem Ende der sozialistischen Diktatur war es angesichts massiver Verunsicherung und zugleich überraschender Möglichkeiten sehr wichtig, zusammenzuarbeiten und gemeinsam aufzutreten. Natürlich lockerten sich später manche Verbindungen, Lebenswege gingen auseinander, einige brachen auch ab. Umso beeindruckender ist es, jetzt auf dieser Ausstellung zu sehen, was für Gemälde, Fotografien, Grafiken und Skulpturen in freien Netzwerken entstehen konnten. Es ist eine für die überfüllte, laute, modische Hauptstadt vergleichsweise leise Schau. Aber sie lehrt etwas, das gegenwärtig zu leicht vergessen wird, nämlich den Wert der Freundschaft mitten in schweren Zeiten. Damit – anders als es Bärbel Bohleys oben zu sehende Arbeit sagt – Kunst anwesend ist.