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Judith Schalansky scheint eine Expertin für Verluste zu sein und darin eine Umweltschützerin höherer Ordnung: So viel geht verloren, fällt dem menschlichen Fortschritt, der menschlichen Gier zum Opfer. Können wir uns gegen unsere eigene Zerstörungswut zur Wehr setzen?
In einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte nun Schalansky: „Man müsste eine Religion gründen, eine Weltreligion des Verzichts und des Weniger. Eine ganz und gar diesseitige Religion, das Paradies kommt ja nicht irgendwann. Das hier war das Paradies. Das ist alles, was wir haben.“
In Paris sah ich ein dazu passendes Kunstwerk. In dem kleinen, feinen Museum der Orangerie, gleich neben dem riesigen Louvre, gibt es zwei kapellenartige Räume, in denen die großen Seerosen-Bilder von Claude Monet zu betrachten sind. Es sind Bilder einer natürlichen und paradiesischen Unendlichkeit. Sie zeigen aber auch, was es braucht, um eine solche Kunstreligion des Diesseits zu schaffen: viele Jahre der Hingabe, Konzentration, Ruhe, Distanz, Inspiration. Dann erst können Bilder entstehen, in denen man sich versenken kann, die einen aber auch lehren, die Kostbarkeit der Natur zu achten.
Neue Religionen gründen sich eben nicht so leicht. Deshalb lohnt es sich immer noch, bei den alten nachzusehen. Denn es ist sehr die Frage, ob das Christentum nur eine Religion des Jenseits ist. Wer es genauer betrachtet, sieht, wie wenig eine bloße Entgegensetzung von Immanenz und Transzendenz taugt. Der evangelische Theologe Ernst Troeltsch hat deshalb den Satz geprägt: „Das Jenseits ist die Kraft des Diesseits.“ Möge es vielen die Kraft geben, der allgemeinen Zerstörung zu wehren.
Nun bin ich gespannt, wie mir das neue Buch von Judith Schalansky gefällt.