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Die Geschichte von Hiob und seiner Frau geht bekanntlich so: Hiob war ein glücklicher und gerechter Mann. Um seine Frömmigkeit zu prüfen, gab Gott ihn dem Satan in die Hand. Nun folgte Unglück auf Unglück. Hiob verlor Hab und Gut, alle seine Kinder, am Schluss seine Gesundheit. Aber sein Gottvertrauen gab er nicht auf. Nur seine Frau war ihm geblieben. Eine große Stütze war sie ihm nicht. Ihr einziger Rat für ihn lautete bloß: „Leg deine Frömmigkeit ab, verfluche deinen Gott und stirb!“
So kannte ich diese Geschichte bisher. Nun habe ich aus einem kleinen, feinen Buch (Thomas R. Elßner: Hiob – von allen guten Geistern verlassen, 2018) gelernt, dass es noch eine Variante gibt – und zwar in der Septuaginta, der antiken Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische. Diese ersten Übersetzer waren offenkundig mit dem ursprünglichen Text unzufrieden, der in Hiobs Frau nur eine barsche Zynikerin sehen konnte. Dabei war sie vom Unglück doch genauso betroffen wie ihr Mann. Deshalb ließen die Übersetzer sie dieses sagen:
„Wie lange noch wirst du standhaft sein und sagen: ‚Siehe, ich warte noch eine kurze Zeit und setze die Erwartung auf meine Errettung‘? Denn sieh doch, ausgelöscht ist dein Andenken von der Erde; Söhne und Töchter sind tot; Geburtsschmerzen und Beschwernisse meines Schoßes, mit denen ich mich umsonst abgemüht habe mit Qualen. Und du selbst sitzt in der Fäulnis der Würmer und verbringst die Nacht unter freiem Himmel. Und ich bin eine Herumstreicherin und Magd geworden; von Ort zu Ort und von Haus zu Haus ziehe ich umher, warte darauf, dass die Sonne untergehen wird, damit ich ausruhen von den Qualen und Beschwerden, die mich jetzt umfangen. Aber sprich irgendein Wort zum Herrn und stirb.“
Männer und Frauen trauern unterschiedlich – das lehrt schon diese uralte Geschichte. Und sie zeigt, wie wichtig es wäre, wenn der eine auch einen Blick für den Schmerz der anderen hätte und umgekehrt.
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