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Die Neue Rechte als Brücken-Milieu zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus hat eine religiöse Seite. Diese ist vielgestaltig und reicht von gegenmoderner – katholischer oder lutherischer – Kirchlichkeit über evangelikale oder charismatische Freikirchlichkeit und spirituelles Einzelgängertum bis hin zur Faszination für Neuheidnisches. So unterschiedlich die religiösen Prägungen und theologischen Impulse auch sein mögen, so wirkmächtig sind sie doch, weil sie die politische Kritik und die politische Agenda auf einem überpolitischen Fundament gründen. Deshalb genügt es nicht, die Neue Rechte nur historisch, politologisch, soziologisch oder sozialpsychologisch zu deuten oder gar sich bloß über sie zu empören. Es ist auch sinnvoll, sie theologisch zu deuten und zu beurteilen.
Das versuchen wir in unserem Buch an ausgewählten Beispielen. Andreas Kubik untersucht eine Protest-Andacht der AfD vor dem Bundeskanzleramt. Arnulf von Scheliha vergleicht den Volksbegriff der Neuen Rechten und der antiliberalen Theologen der Weimarer Republik. Rochus Leonhardt fragt nach einem angemessenen Umgang mit der AfD aus Sicht einer politischen Ethik des Protestantismus. Ich widme mich einem der einflussreichsten neurechten Ideologen namens Karlheinz Weißmann.
Hier möchte ich nur kurz den Beitrag von Martin Fritz von der Evangelischen Zentralsstelle für Weltanschauungsfragen hervorheben. Er bietet einen Überblick über die wichtigsten Motive eines „Christentums von rechts“. Was ist hier noch konservativ? Und was ist schon hartrechts oder gar rechtsextrem? Seine These lautet: Es sind nicht allein die Inhalte, Positionen und Überzeugungen, die den entscheidenden Unterschied machen, als vor allem der Ton, in dem sie vorgetragen werden. Über Migrationspolitik oder Sexualethik können evangelische Christen verschiedener Meinung sein. Da gibt es von liberal bis konservativ eine Reihe von legitimen Möglichkeiten. Eine Grenze wird dort überschritten, wo auf Kulturkampf umgeschaltet, apokalyptisch der Untergang des Abendlands ausgerufen und rhetorische Enthemmung praktiziert wird. Der Ton also macht auch hier die Musik. Mich hat diese These zunächst überrascht, dann aber überzeugt.
P.S.: In einem Radio-Essay für den NDR habe ich versucht, an Martin Luther King als einen eindrucksvollen Intellektuellen und radikalen Theologen zu erinnern. Man kann es hier nachhören.