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Auf keinen Fall Panflötenmusik
Eine Patientenvorsorge sollten wir alle haben. Wer sich nicht richtig an das Thema traut, kann auch mit kleinen Schritten beginnen. Und vor allem: Redet mit Euren Vertrauten über das eigene Sterben.
privat
13.09.2022

„Eigentlich dürfte ich gar nicht künstlich ernährt werden, in meiner Patientenverfügung habe ich das nämlich verboten“, erklärte mir eine Patientin leise, damit es niemand hört. Sie hatte tatsächlich eine perfekte notariell beglaubigte ausführliche Patientenverfügung. Aber sie wusste leider nicht, dass diese Verfügung nur gilt, wenn sie sich nicht mehr äußern kann.

Eine andere Patientin beauftragte einen Rechtsanwalt zu ihr ins Krankenhaus zu kommen, um juristisch wasserdicht festzuhalten, dass sie nur im Notfall auf die Intensivstation kommen wolle. Sie war enttäuscht von dem Besuch, für den sie so viel Geld in die Hand genommen hatte. Von ihrem Wunsch stand nichts in dem Dokument, das sei unnötig, verstand sie den juristischen Experten, weil eine Intensivstation doch sowieso nur für den Notfall gedacht sei.  

Das ist alles viel zu schwierig

Das Verfassen einer Patientenverfügung ist tatsächlich nicht einfach. Es geht um juristische, medizinische, ethische Fragen und, was noch wichtiger und schwieriger ist als alles andere: Es geht immer um die Wünsche zur Behandlung am Lebensende eines einzigartigen Menschen mit ganz besonderen Wünschen, Vorstellungen und Überzeugungen.  

„Seit Jahren will ich eigentlich eine Patientenvorfügung schreiben…“, so ähnlich äußern sich daher nicht wenige Patient*innen, wenn sie im Krankenhaus danach gefragt werden. Die guten Möglichkeiten einer Patientenvorsorge werden damit aber leider auch nicht genutzt.  

Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, erstmal vorsichtig und klein anzufangen. Ich selbst bin folgendermaßen vorgegangen:

Da ich es schwierig finde, in einer Patientenverfügung im Voraus zu entscheiden, welche Behandlungen ich in den so unterschiedlichen medizinischen Situationen haben möchte, habe ich mich zunächst nur für eine Vorsorgevollmacht in Gesundheitsfragen entschieden. Dazu habe ich das entsprechende Formular der christlichen Patientenvorsorge Christliche Patientenvorsorge durch Vorsorgevollmacht der EKD ausgefüllt, mit Datum und meiner Unterschrift ist eine solche Vollmacht sofort gültig, eine Sache von wenigen Minuten. Jetzt sind meine Vertrauten bevollmächtigt, über meinen Gesundheitszustand informiert zu werden und medizinische Entscheidungen für mich zu treffen, wenn ich das nicht mehr kann. Und selbstverständlich rede ich mit meinen Vertrauten regelmäßig über Tod und Sterben, damit sie auch wissen, was ich gerade denke.

Keine Panflöte und keine Schlager

Trotzdem habe ich auch noch eine Patientenverfügung angefangen, mit bislang vermutlich ziemlich ungewöhnlichen Behandlungswünschen. Ich hatte als Klinikseelsorgerin eine Patientin besucht, in deren Zimmer Panflötenmusik vom CD-Spieler trötete. Auf Nachfrage meinte der Pfleger, man kenne die Patientin nicht, aber diese Musik tue doch allen gut. Und ich dachte sofort: Nein, mir nicht!

Lesen Sie auch: Wie schreibe ich eine Patientenverfügung? Ein Selbstversuch

Da das Gehör vermutlich das Organ ist, das im Sterbeprozess am längsten funktioniert, steht nun in meiner Patientenverfügung: Bitte keine einlullende meditative Musik, dazu ein paar Musikvorschläge. Und weil ich schon dabei war, habe ich auch noch formuliert, dass ich prinzipiell gerne Besuch habe und man nicht vorschnell glauben solle, mich schonen zu müssen. Und dass ich bei Aromaölen am liebsten Zitrusdüfte mag und rohe Tomaten zutiefst verabscheue, zur Vorsicht, damit mir das nie jemand ungefragt anreicht.

Und irgendwann werde ich wohl noch weiterbauen an meiner Patientenverfügung, neue Wünsche und wohl auch medizinische Bestimmungen hinzufügen, etwa zur Frage der Wiederbelebung.  

Aber momentan fühle ich mich ganz wohl mit meinen Bevollmächtigten, denen ich vertraue, in meinem Sinne zu entscheiden und der Gewissheit, keine meditative Panflötenmusik hören zu müssen.

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Liebe Frau Lack,
Falls Sie jemals Zeit haben, das Seelengartlein aus Mariaaich zu besuchen, werden Die dort Meditative Musik in der Natur horen, die Ihnen bestimmt gefallen und gut tuen wird. Ich wünsche Ihnen gute Besserung und Gottes Segen. Liebe Grusse, Christina Sonntag

Kolumne

Karin Lackus

Als Klinikseelsorgerin und Krebspatientin kannte Pfarrerin Karin Lackus den medizinischen Alltag unterschiedlichen Perspektiven und hat darüber gebloggt. Ende April 2023 ist Karin Lackus gestorben. Der Blog bleibt online, und in Absprache mit den Angehörigen haben wir im Blog noch einige Texte veröffentlicht, die Karin Lackus vor ihrem Tod verfasst hat.