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In meinem Stadtteil hat die evangelische Kirche angekündigt, aus Geld -und Personalmangel eine Kindertagesstätte zu schließen. Die Zeitung berichtet darüber, die Gespräche im Supermarkt sind erregt, von Gegenwehr ist die Rede.
„Kirche kann doch nicht ausgerechnet bei den Kindern sparen“, höre ich, „das ist doch unsere Zukunft“. Bei der Seniorenarbeit aber erst recht nicht, denke ich, gerade jetzt, wo durch die Pandemie so viel Einsamkeit da ist. Es wäre herzlos, bei der Armutsbekämpfung oder gar bei der Arbeit mit behinderten Menschen zu kürzen und Kirchenmusik gehört fraglos zur Grundausstattung der Kirche. So weit, so schwierig.
Als Beitrag zu dieser zweifellos notwendigen kirchlichen Spardebatte möchte ich eine kleine Geschichte aus der Klinikseelsorge erzählen:
Auf Bitten eines Mannes besuchte ich regelmäßig seine Mutter in unserem Krankenhaus, die seiner Meinung nach auf nichts mehr reagieren konnte. Bei einem meiner Besuche summte ich fast beiläufig einen Gospelsong und glaubte zu sehen, dass sich der Mittelfinger ein klein wenig bewegte. Daraufhin sang ich alle Gospels, die ich kannte und besorgte mir ein Liederbuch für alle kommenden Besuche.
Bäume machen nun mal keine Krankenbesuche
Nach ihrem Tod meinte ich zu ihrem Sohn, dass seine Mutter Gospels wohl sehr mochte. "Woher wissen Sie das?" fragte er überrascht. Er erzählte, dass der Gospelchor der Gemeinde die große lebenslange Leidenschaft seiner Mutter gewesen sei.
Es waren schon einige gut bezahlte Stunden als Klinikseelsorgerin, die ich bei der Frau verbracht habe und ich finde es wunderbar, dass Kirche diese Arbeit ermöglicht und trägt und finanziert.
„Ich brauche für meinen Glauben keine Kirche, ich bin schon vor Jahren ausgetreten“, hörte ich an anderer Stelle manchmal bei meinen Besuchen, oder: „Im Wald fühle ich mich Gott einfach viel näher“.
Diese Überlegungen sind nicht völlig unverständlich, aber tatsächlich ist es genau diese hier abgelehnte Kirchenstruktur mit ihrer Verwaltung und ihren Stellenplänen, die meine Besuche als Seelsorgerin ermöglicht haben. Denn auch ich lebe nicht von Luft und Liebe und die wunderbaren Bäume im Wald kommen nun mal niemanden im Krankenhaus besuchen. Aber wenn Kirche kleiner und ärmer wird, müssen Personalstellen eingespart werden. Alle kirchlichen Arbeitsbereiche kommen dabei richtigerweise auf den Tisch kommen, auch die Klinikseelsorge und es wird engagiert besprochen, was wegfallen kann.
Wer hat die größte Lobby?
Die Kindergarteneltern machen es dabei genau richtig, es lohnt sich bei jeder Spardiskussion, mit Leidenschaft und Begeisterung für die eigenen Interessen zu kämpfen. In einem offenen Entscheidungsprozess haben gemeinhin diejenigen die besten Karten, die die größte Lobby haben und die meiste Gegenwehr auf die Beine stellen.
Und genau da kann Klinikseelsorge nicht mithalten. Die Geschichten der Krankenhausseelsorge sind leise und man kann sie nur schwer einbringen in eine leidenschaftliche Diskussion um Geld. Kranke und sterbende Menschen protestieren nicht. Anders als etwa bei einer Einsparung bei den Kindergärten geht hier niemand auf die Barrikaden, im Zweifelsfall wird eine Stellenstreichung gar nicht öffentlich bemerkt.
Klinikseelsorge ist daher bei jeder Sparrunde in Gefahr, fast unbemerkt unter die Räder zu kommen. Aber genau wie alle anderen kirchlichen Arbeitsbereiche braucht sie Geld und Ressourcen, um verlässlich Kranke zu besuchen, Sterbende zu begleiten und für Trauernde da zu sein.