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In unserem gemeinsamen Buch „Schützt unsere Umwelt“ sagt der Dalai Lama: „Immer mehr Menschen verstehen, dass es heute um das Überleben der Menschheit geht. Es reicht nicht, nur zu meditieren oder zu beten. Wir müssen aus unserem Gewissen heraus aktiv werden“. Ähnliches hat zuvor Papst Franziskus in seiner wichtigen Enzyklika „Laudato si“ gefordert. Was aber könnte das konkret und praktisch heißen?
Kirchen und Religionsführer sprechen seit Jahrzehnten von der „Bewahrung der Schöpfung“. Wie wäre es, wenn sie eine gemeinsame weltweite Aufforstungsaktion in Auftrag geben würden und alle jungen Menschen einladen würden, sich aktiv daran zu beteiligen?
Im Sommer 2020 brennen die Wälder von Kalifornien bis Sibirien und von Zentralafrika bis nach Ostasien und erst recht in Brasilien. Das beschleunigt die Klimaerhitzung. Wenn wir dagegen nichts unternehmen, werden wir bald „getoastet, geröstet und gegrillt“, sagt Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank, EZB.
Bäume pflanzen fürs Klima
Die Eidgenössisch-Technische Hochschule Zürich (ETH) hat 2019 in einer Aufsehen erregenden Studie (Science The global tree restoration potential) aufgezeigt, dass durch Aufforstung in den USA, Russland, China, Brasilien und Kanada mehr als zwei Drittel aller menschengemachten CO2-Emissionen aus der Luft geholt und in Bäumen gespeichert werden könnten. Das muss kein Wunschtraum bleiben. Für dieses Ziel könnten Kirchen mit ihren Milliarden Mitgliedern, mit ihrem weltweiten Netz von Kardinälen, Bischöfen Priestern und Laien aktiv werden.
Die Kinder- und Jugendorganisation „Plant for the Planet“ hat der damals neunjährige Felix Finkbeiner aus Starnberg 2007 mit seinem Vater Fridjof gegründet. Tausende Jugendliche aus der ganzen Welt haben seither 13.6 Milliarden Bäume gepflanzt. Ihr Ziel: Bis 2030 eintausend Milliarden Bäume pflanzen, um das Klima noch zu retten. Warum haben sich die Kirchen bis heute diesen Kindern und Jugendlichen nicht angeschlossen?
Die „Fridays-for-Future“-Bewegung zeigt, dass Kinder und Jugendliche generell eine wichtige Rolle spielen, wenn es um ihre Zukunft geht. Das wird sich beim nächsten weltweiten Klimastreiktag am 25. September wieder zeigen.
Wir Erwachsenen – die Politik, die Wirtschaft und die Kirchen – sollten dabei unsere Jugend nicht allein lassen, sondern sich ihnen anschließen und ihre berechtigten Zukunftsängste ernst nehmen. Wir könnten mehr Zukunft wagen, indem wir mit unseren Institutionen weltweit die Aufforstung und die Begrünung der Wüsten unterstützen. Neben dem Umstieg auf erneuerbare Energien könnten diese Aufforstungsbemühungen und die Begrünung der Wüsten die zweite Säule der Klimarettung sein.
Äthiopien hat 2019 gezeigt, dass und wie dies gelingen kann. Die Regierung des armen Landes bat die gesamte Bevölkerung an einem bestimmten Tag, möglichst viele Bäume zu pflanzen. Es waren 350 Millionen Bäume – an einem Tag.
Ein weiteres Projekt, das Hoffnung macht, den Walduntergang noch zu stoppen, in demselben Land, in der äthiopischen Region Humbo.
Das „Baumwunder“ von Humbo
Der australische Baumfachmann Tony Rinaudo verwandelte Wüsten in blühende Landschaften – er renaturiert verödete Landschaften und fördert dadurch die Bodenfruchtbarkeit. Rinaudo forstet nicht mit Baumsetzlingen auf wie die „Plant for the Planet“-Kinder, sondern er „regeneriert“ junge Bäume aus den Wurzeln alter Bäume, die übrigbleiben, wenn der Stumpf längst gefällt, abgesägt oder verbrannt ist.
Er sagt: „Manche dieser Wurzeln überleben viele Jahrzehnte im Erdreich“. Diese Methode klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Aber sie funktioniert. Der Baum-Experte von World Vision erhielt für seine Aufsehen erregende Arbeit den Alternativen Nobelpreis und kann sich heute vor Einladungen aus der ganzen Welt kaum retten. Dort wo sein „Baumwunder“ funktioniert wie in Süd-Äthiopien wird der Boden wieder fruchtbar.
Der SPIEGEL schreibt: „Quellen, die vormals versiegt waren, führen wieder Wasser. Die Menschen in Humbo können sich heute selbst versorgen; mehr noch, sie verkaufen ihre Ernte, sie leiden nicht mehr unter Staubstürmen und Regenfluten, sie halten Bienenstöcke in den Wäldern und lassen das Vieh zwischen den Bäumen grasen“.
Das Wunder von Humbo wird jetzt überall in Äthiopien kopiert. Bis 2030 sollen mit Rinaudos Methode 15 Millionen Hektar Wald wachsen. So kann auch das Mikroklima kühler werden. Ein Hektar dieser Wiederaufforstung kostet nicht mehr als 40 Dollar.
Es kann also doch noch gelingen, die Wälder zu retten und das Klima zu schützen. Aber dafür müssen viele Menschen aktiv werden. Welch eine Aufgabe für die Jugend Europas und Afrikas.
Das Hauptproblem unserer Zeit ist: Unsere Emotionen sind steinzeitlich, unsere Institutionen mittelalterlich und unsere technischen Fähigkeiten beinahe Gott-ähnlich. Wenn die Institutionen der Kirchen lernen, auf der Höhe der Zeit zu sein, dann werden sie ab sofort nicht mehr nur über „die Bewahrung der Schöpfung“ reden, sondern ihre Milliarden Mitglieder und ihre Millionen Helfer motivieren, alles für die Bewahrung der Schöpfung zu tun und sich bei der Begrünung der Wüsten zu engagieren.
Moderne Kirchen schützen das Klima
In Afrika und Europa können junge Christen und junge Muslime zum Beispiel gemeinsam an der Rettung des Planeten arbeiten so wie es die „Grünhelme“, die Rupert Neudeck gegründet hat, schon seit vielen Jahren vorbildlich tun und sich dabei auch noch kennen und schätzen lernen.
Wenn sich Religionen an die Spitze dieser ökologischen Bewegung stellen, bekommen Religionen wieder einen tiefen und modernen Sinn. Wir haben es buchstäblich in der Hand – was wollen wir: Walduntergang oder Waldrettung? Wir müssen uns entscheiden. Und dabei könnten moderne Kirchen eine wichtige Hilfestellung leisten.