Lena Uphoff
15.11.2010

Was willst du einmal werden? Die Frage mochte ich schon als Kind nicht leiden. Na? Sag schon! Wenn mich Erwachsene bedrängten, habe ich dann doch artig geantwortet. Gut gefiel ihnen "Millionär" , mir eigentlich auch. Ich weiß nur bis heute nicht, wie man es tatsächlich wird. Jetzt fragen mich meine Bekannten, wie ich gerne im Alter leben möchte und wo. Weiß ich nicht. Diese Antwort mögen sie alle nicht. In der Stadt? Ja, vielleicht; wegen der kurzen Wege zur Kultur. In einem Wohnprojekt? Gegenfrage: Mit wem?

"Sie sind doch jetzt über fünfzig", redete mir eine Kollegin ins Gewissen, "da muss man anfangen, das Alter zu planen. Sonst sitzen Sie eines Tages hilflos und krank in einem Haus, das überhaupt nicht altersgerecht ist. Es ist also nur vernünftig, wenn man frühzeitig regelt, wie man dann leben möchte." Ich bin - ganz gegen meine Natur - regelrecht verstummt vor so viel geballter Weitsicht. Ich gestehe, dass einer meiner Lieblingssätze heißt: Das besprechen wir ein andermal. Oder: Das regeln wir später. Die höfliche Variante von: Lass mich mit dem Quatsch in Ruhe! und: Interessiert mich nicht!

Es mag vernünftig sein, mit fünfzig zu planen, wie und wo man mit siebzig leben will. Wenn man dann noch lebt. Mein Vater versprach meiner Mutter, er werde im Ruhestand mit ihr nach Ägypten reisen, ins von ihr heiß geliebte Land der Pyramiden. Leider kam es nicht dazu, weil er acht Jahre vor dem Eintritt ins Rentenalter starb. "Daher kommt das bei dir! Du bist also traumatisiert", psychologisierte die Kollegin. Ich konnte es ihr nicht ausreden, obwohl ich mich keineswegs so fühle. Ich wollte nur darauf hinweisen, welche Grenzen unseren Plänen auferlegt sind.

Natürlich kann ich sagen, wie ich mir das Paradies vorstelle. Und das wäre zugleich die exakte Antwort auf die Frage, wie ich leben möchte - im Alter, aber gerne auch schon früher. Nur würde mich die Antwort als hoffnungslosen Fantasten entlarven, wie es schon der "Millionär" als Berufsziel tat. Denn nichts anderes bedeutete der Ausruf der Tante damals: "Ist er nicht süß! "

Freiheit ist wichtig. Aber noch wichtiger ist die Liebe

Aber es gibt noch absurdere Fragen. Zum Beispiel: Wie soll dein Begräbnis aussehen? Da sollten sich die potenziellen Toten meiner Ansicht nach zurückhalten und das lieber den Angehörigen überlassen. Trauerfeiern sind eine Veranstaltung für die Hinterbliebenen; die sollen entscheiden, wie sie sich verabschieden wollen. Der Verstorbene hat den Abschied dann schon hinter sich. Und falls ein Weiterleben nach dem Tod bedeuten würde, tatsächlich noch in die Welt der Irdischen blicken zu können, nehme ich für mich in Anspruch, dass ich mich am wenigsten mit der Frage herumquälen würde, ob der Sarg teuer genug für meine sterblichen Überreste wäre.

Noch so ein Beispiel obszöner Fragerei ist mir neulich in einem TV-Porträt begegnet. Fragt die Interviewerin den alternden Fernsehstar: "Und wie möchten Sie dem Publikum in Erinnerung bleiben?" Dumme Fragen erkennt man daran, dass nur eine Antwort zu erwarten ist. In diesem Fall: gut. Mich hat mal ein Kellner angesprochen: "Wir haben heute nur Braten mit Kartoffelbrei. Was wollen Sie essen?" Hungrig wie ich war, hätte ich natürlich auch "nix" antworten können.

Zurück zum Leben im Alter. Ich wünsche mir - wie alle -, möglichst gesund, mit möglichst wenig Einschränkungen, möglichst lange, möglichst jeden Tag entscheiden zu können, ob ich im Bett bleibe, ob ich mir was koche, ob ich spazieren gehe oder aufräume, ob ich lese oder fernsehe oder mit Freunden quatsche. Und falls ich auf Hilfe angewiesen sein sollte, wünsche ich mir, dass mich die Helfenden liebenswürdig, nachsichtig und respektvoll behandeln. Es geht mir um Liebe und um Freiheit. Die Liebe nenne ich zuerst. Denn notfalls, aber wirklich nur notfalls, wäre ich sogar bereit, auf die Freiheit zu verzichten, keinesfalls aber darauf, geliebt zu werden und lieben zu dürfen. Na? Das sind doch ziemlich konkrete Vorstellungen, oder?