Arnd Brummer über Nostalgie, Bequemlichkeit und eine lieb gewonnene Reiseschreibmaschine
Lena Uphoff
23.01.2014

Monica? Hallo! Wo bist du? Das rief meine Seele gerade mal ­wieder, als mir der Redaktionsserver mitteilte, dass ich nicht auf ihn zugreifen könne, um diese Notizen zu produzieren. Monica, so hieß meine süße kleine Reiseschreibmaschine, auf der ich vor  gefühlt mehreren hundert Jahren meine Artikel tippte. Monica! Wehmut beschleicht mich. Überall nahm ich sie mit hin. Immer funktionierte sie. Gut, gut – hin und wieder musste man mal das Farbband wechseln und mit einem zahnstocherartigen Werkzeug sowie einer kleinen Drahtbürste die Typen reinigen. Typen! Die Jugend meint bei diesem Ausdruck Kerle, menschliche Wesen... da lacht die Koralle, wie man anno dunnemals sagte. Monica! Warum hat man dich nicht unter Denkmalschutz gestellt? Warum muss ich mit dieser völlig wertneutralen IT-Weich- und Hartware arbeiten? Sehnsucht nach der guten alten Zeit.

Und dann muss ich an das seltsame Gespräch denken, das ich mit meinem Nachbarn, einem jungen Pfarrer, kurz nach Drei­könig geführt hatte. Der humorvolle und lebhafte Lars, Anfang dreißig, hatte gerade eine neue Pfarrstelle angetreten und erste Weihnachtsgottesdienste gehalten.

„Tja, und nach den Feiertagen bin ich zu meinem Kirchenvorstand und habe gefragt, ob wir diese schrecklichen alten ­Kirchenbänke nicht ausbauen und durch bequeme Stühle oder Sessel ­ersetzen können.“ Die Bänke sind schmal, haben eine ­hohe, steife Rückenlehne im 90-Grad-Winkel zur Sitzfläche. Sie stehen eng gestaffelt. Lars schätzt, „dass Leute über ein Meter achtzig keine Kniefreiheit mehr haben“. Rein kommt man in die Reihen nur vom Mittelgang. Auf der anderen Seite sind sie an die ­Wände ­geschraubt, kein Durchgang. „Gottesdienst in der Sackgasse“, knurrt der Jungpfarrer, „und die alten Leutchen kommen früh, besetzen die Plätze am Gang, lassen nur ungern Leute rein. Und noch mal aufstehen wollen sie schon gar nicht.“ Alles klar, antworte ich ihm, das Zeug muss raus, wenn man schöne und angenehme ­Atmosphäre will.

Denkmalschutz hat Vorrang

„Das“, seufzt er, „habe ich auch gedacht. Mein Kirchenvorstand aber sieht das ganz anders. Denkmalschutz! Unsere schöne Kleinstadtkirche aus dem 18. Jahrhundert darf nicht kaputt gemacht werden! Die Leute sollen sich mal nicht so anstellen! Und wenn das jemanden stört, soll er halt wegbleiben!“ Außerdem seien nur Männer länger als 1,80. Die kämen sowieso sehr selten.
Lars, Theologe, konnte das natürlich so nicht hinnehmen. Das Gotteshaus sei doch für die Brüder und Schwestern „das Haus ihres Vaters“, in dem sie sich wohlfühlen sollten. Und er frage die Kirchenvorsteher, ob sie denn zu Hause auch Weihnachten oder Geburtstag auf denkmalgeschützten Möbeln feiern würden, wenn diese unbequem seien. Nee, natürlich nicht. Aber das sei privat und nicht Kirche! Auch sein Hinweis auf Jesu Aussage, nicht die Menschen seien für den Sabbat da, sondern der Sabbat für die Menschen, also müsse man es den herbeigeeilten Gläubigen sonntags so angenehm wie möglich machen, fruchtete nicht, sondern wurde mit der guten alten Spruchweisheit beantwortet: Das sei schon immer so, das sei noch nie anders gewesen, und noch mal: Wem das nicht passe, der solle halt woandershin.

Schwierige Situation für Lars. Er dachte nach und beschloss, die Gottesdienste fürderhin im Gemeindehaus zu feiern, mit anschließendem Kirchencafé an nett dekorierten Tischchen auf bequemen Stühlen. Reak­tion der Vorsteher: Auf keinen Fall! Hatten wir schon. Da bleiben die Leute dann bis Mittag sitzen und quatschen. Wollen wir nicht. Alles hat seine Zeit! Lars, das ist eine Herausforderung!

Ich habe überlegt, ob ich zu Ostern meinen Kollegen ein paar  alte Reiseschreibmaschinen auf die Tische stelle und sage: Damit arbeiten wir jetzt. Und wenn sie protestieren, weil sie damit nicht ins Netz können, keine Texte speichern, nicht direkt in ­Layouts schreiben, sondern umständlich transformieren und kürzen müssen? Dann werde ich die Weisheit des Kirchenvorstandes aus Lars’ Gemeinde zitieren. Denkmalschutz hat Vorrang! Prösterchen, Monica! Ach, der Server ist wieder da! Text passt. Schön. Gute Technik, sehr bequem!

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Sehr geehrter Herr Arnd Brummer, wie Recht Sie doch haben. Früher war das Leben wirklich noch von handfester Qualität. Ich denke da zB an die heutzutage bis in die letzte Wohnung verlegte Trinkwasserleitung: gedankenlos öffnen wir einfach den Hahn. Wie schön war es doch vorher noch: ...am Brunnen vor dem Tore. Da traf man sich beim Wasser holen, erfuhr den neuesten Klatsch und sparte ganz nebenbei das teure Fitnessstudio. Was nicht mal Monica schafft.