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Der Streit um die Organtransplantation kommt nicht zur Ruhe. Das hat gute Gründe. Wer es sich mit diesem Thema zu leicht macht, macht es sich mit Leben und Tod zu leicht. Lieber halte ich die Spannung aus, die in diesem Thema liegt, als sie glatt zu bügeln.
Wer Menschen gesehen hat, die auf ein neues Herz warten, wer Dialysepatienten kennt, denen durch eine neue Niere geholfen wäre, weiß, dass die Organtransplantation Leben retten und Unglück wenden kann. Auch ich trage einen Organspendeausweis bei mir. Wenn mir etwas zustößt, kann vielleicht einem andern geholfen werden. Gern würde ich so dazu beitragen, dass die Medizin vom therapeutischen Klonen die Finger lässt und vom Organhandel erst recht.
Doch wie steht es mit dem Tod des Organspenders, dessen Herz noch schlägt? Mit dem Hirntod, so heißt es, sei der Tod des Menschen eingetreten. Durch den Eindruck, den der gut durchblutete Körper dieses Menschen mache, dürfe man sich nicht in die Irre führen lassen.
Ich kann mich damit nicht abfinden. Dass ein weiblicher Körper, der noch ein Kind austragen kann, der Leib einer toten Frau sei, habe ich noch nie aussprechen können. Aber dass der Prozess des Sterbens unumkehrbar und der Hirntod ein untrügliches Todeszeichen ist, kann ich akzeptieren. Deshalb bejahe ich auch, dass von diesem Zeitpunkt an Organe entnommen werden können unter der doppelten Voraussetzung, dass dieses Organ um eines anderen Menschen willen dringend gebraucht wird und dass der Entnahme zu Lebzeiten aus freien Stücken zugestimmt wurde. Die stellvertretende Zustimmung von Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Spenders ist für mich eine nur schwer zu akzeptierende Hilfskonstruktion.
Der christliche Glaube rät zu beidem: zur vorbehaltlosen Liebe und zu einem realistischen Bild vom Menschen. Eines der beiden höchsten Gebote heißt deshalb: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Dass Menschen, die um der Liebe willen zur Organspende bereit sind, auch selbst auf ein Organ hoffen könnten, wenn sie es denn bräuchten, halte ich nicht für ehrenrührig. Niemand darf von einer Warteliste für Organspenden ausgeschlossen werden, nicht einmal derjenige, der sich weigert, ein eigenes Organ zur Verfügung zu stellen. Aber die Idee, dass Organspender auf der Warteliste ein paar Plätze vorrücken, wenn sie selbst ein Organ lebensnotwendig brauchen: Das finde ich pfiffig und richtig.
Für einen geringen Betrag verkaufen heute osteuropäische Arbeiter ihre Niere, um ihrer Familie dadurch den Lebensunterhalt zu sichern. Die Organbroker machen damit das große Geschäft und die Kliniken in der Türkei oder anderswo auch. Erst werden Organe zur Handelsware und dann der ganze Mensch. Manche spekulieren schon jetzt auf Ersatzteil-lager durch therapeutisches Klonen. Es handelt sich um ein skandalträchtiges Gelände.
Wer sich solchen Entwicklungen widersetzen will, sollte dafür eintreten, dass mehr Menschen aus eigenen Stücken und zur rechten Zeit über die Organspende nachdenken. Auch wer sich nicht dazu entschließen kann, ist damit nicht zwangsläufig ein liebloser Mensch. Aber über praktizierte Nächstenliebe nachdenken sollte jeder und wenn es die Bereitschaft zur Organspende ist. Wolfgang Huber