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Als Kind habe ich mich für Filme wie "Ben Hur" begeistert. Sie haben mir aber auch Angst gemacht: Menschen, Christen wurden wilden Tieren vorgeworfen, weil sie nicht bereit waren, ihren Glauben zu verraten. "Ist es nötig, sein Leben als Märtyrer zu opfern, weil man an Jesus Christus glaubt?", habe ich mich gefragt.
Zehn Jahre später verschlang ich Bücher über das "Dritte Reich". Ich nahm wahr, dass es in all dem grauenhaften Geschehen Christen gab, die sich dagegen erhoben: den Jesuitenpater Alfred Delp zum Beispiel oder den evangelischen Pfarrer Dietrich Bonhoeffer. Sie bezahlten ihren Widerstand mit dem Leben. Mich beschäftigte die Frage: Kann es auch in meinem Leben eine Situation geben, wo ich wählen muss: Jesus Christus folgen oder die eigene Haut retten?
Dass ich in einem Staat lebe, in dem ich meinen Glauben als Christ bezeugen kann, ohne zum Märtyrer werden zu müssen, dafür bin ich dankbar. Weltweit, so schien mir, bedarf es des christlichen Martyriums nicht mehr.
Doch dann: Durch die Nachrichten gehen Bilder von ermordeten Christen in Pakistan, die einen Weihnachtsgottesdienst besucht hatten. Sie starben, weil sie Christen waren. Von Märtyrern war freilich in diesem Fall keine Rede, sondern von Mord.
Von "Märtyrern" hört und liest man in den Medien, wenn sich Menschen selbst in die Luft sprengen und dabei andere mit in den Tod reißen seien es die Täter vom 11. September 2001, seien es Tschetschenen in Moskau oder Palästinenser in Israel. In all diesen Fällen sind es übrigens Muslime, von fanatischen religiösen Lehrern mit dem Versprechen in die Irre geleitet, sie würden so eine religiöse Pflicht erfüllen. In schlichtem Schwarz-Weiß-Denken unterscheiden sie zwischen der islamischen Welt des Friedens und der bedrohlichen nichtislamischen Welt des Krieges. Gegen Letztere gelte es, alle Kräfte aufzubieten. Allein schon eine westliche Präsenz sei eine Bedrohung. Lohn der Anstrengung, des Dschihad: der unmittelbare Eintritt der Selbstmordattentäter ins Paradies. Dort würden sie durch Gärten und Weinberge wandeln und von 72 Jungfrauen erwartet.
Der Frage, in welch hoffnungslose Situation die russischen oder israelischen Militäraktionen diese religiösen Fanatiker gebracht haben können, wollen wir hier nicht nachgehen. Diese Attentate sind ohnehin niemals zu rechtfertigen sie sind nichts anderes als menschenverachtende Morde. Unverständlich auch, weshalb man solche Leute "Märtyrer" nennt. Märtyrer sind Menschen, die wegen ihres Glaubenszeugnisses mit dem Tod bestraft werden, ihn nicht suchen und schon gar nicht andere mit in den Tod reißen. Nach christlichem Verständnis ist das Leben ein Gottesgeschenk. Wir haben nicht das Recht, unser eigenes noch das Leben anderer wegzuwerfen.
Diese Anschauung trennt Christen und Muslime im Grunde nicht. Auch nach dem Koran ist es verboten, andere Menschen zu töten oder Selbstmord zu begehen. So verurteilen sehr viele Muslime die Attentate ebenso wie sehr viele Christen. Beim Islam handelt es sich nicht um eine gewalttätige Religion. Arbeiten wir deshalb weiter für eine Welt, in der niemand wegen seines Glaubens sein Leben lassen muss und in der niemand glaubt, er müsse mit dem (selbst)mörderischen Einsatz seines Lebens seine Glaubenstreue bezeugen. Johannes Friedrich