Es geschah mehr als einmal bei meiner Reise durch Marokko: Als Nichtmuslim wurde mir der Zutritt in die großen Moscheen des Landes verwehrt. Einen Blick durch die großen Tore in die Innenhöfe zu werfen, war das einzig Mögliche, hineinzugehen in stiller Bewunderung für diese große Religion, war verboten. Anders ging es in Jerusalem zu, im muslimischen Felsendom auf dem Tempelberg: Da war der Zutritt erlaubt, aber strikt verboten, sich eine Weile auf dem Teppich niederzulassen, wo bereits Dutzende Muslime kauerten. In den Moscheen Istanbuls schließlich wurde ich zur Gebetszeit freundlich begrüßt, danach aber zwei Mal auf die Podeste im Hintergrund in die Nähe der ebenfalls abgerückten Frauen verwiesen.
"Klarheit und gute Nachbarschaft"
Diese Erfahrungen scheinen zu jenen Sätzen zu passen, die gegenwärtig in Deutschland für heftige Diskussionen sorgen: "Das interreligiöse Beten kommt aus theologischen Gründen nicht in Betracht. Auch jegliches Missverständnis, es finde ein gemeinsames Gebet statt, ist zuverlässig zu vermeiden." Diese Sätze stammen allerdings nicht aus muslimischer, sondern auch christlicher Quelle: aus der Studie "Klarheit und gute Nachbarschaft" vom November 2006, in der die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Regeln für den Umgang mit Muslimen aufstellt. Immerhin eröffnet die Studie die Möglichkeit "der respektvollen Teilnahme am Gebet der jeweils anderen Religion und, damit verbunden, des inneren Einstimmens in Aussagen, die man aus seiner eigenen Glaubensüberzeugung vollziehen kann."
Eduard Kopp
Die muslimischen Verbände in Deutschland kritisieren diese Studie heftig, auch eine Gruppe von 15 überwiegend evangelischen Religionskennern (in ihrem Buch "Evangelisch aus fundamentalem Grund. Wie sich die EKD gegen den Islam profiliert"). Es ist schon richtig: Auch im christlichen Glaubensbekenntnis heißt es: "Wir glauben an den einen Gott." Demnach gibt es nur einen einzigen Gott. Auch Muslime glauben, dass ihr Gott und jener der Juden und Christen derselbe ist: "Unser Gott und euer Gott ist einer." (Sure 29,46)
Auf der anderen Seite steht die christliche Glaubensüberzeugung: Das, was wir von Gott wissen, wissen wir zu großen Teilen aus dem Handeln und Reden Jesu. Das Verhalten Jesu hat unsere Vorstellung von Gott stark geprägt. In der Weise, wie er sich verhalten hat, erkennen wir Gott. Christen beten nicht einfach zu einem allmächtigen, unberührbaren, jenseitigen Gott, sondern zu einem Gott, der real Mensch geworden ist, der in einem klar umrissenen historischen Kontext lebte und wirkte, der sich mit Autoritäten seiner Zeit anlegte, der geltende Gesetze eigenwillig auslegte. Was und wie er dies tat: Das sagt endlos viel über den christlichen Gott aus - nicht zuletzt, wie er den geächteten Huren und verachteten Zolleinnehmern auf die Beine half. Werden Muslime und auch Juden sagen: Genau in diesem Eigensinn, in diesen Verhaltensweisen erkennen wir den Gott, an den wir glauben?
Gemeinsame Gebete sind umgeben von möglichen Missverständnisse.
Es sind auch scheinbar beiläufige Dinge, die ein gemeinsames Gebet von Christen und Muslimen unmöglich machen. Der Koran lehnt zum Beispiel die Anrede Gottes als Vater ab. Das tut er aus Angst vor polytheistischen Tendenzen, also vor der Zersplitterung des einen, einzigen Gottes. Es hilft wenig, wenn Kritiker der EKD-Studie darauf hinweisen, dass Allah durchaus väterliche Züge aufweist. Eines der Hauptgebete der Christen, das Vaterunser, ist mit Muslimen nicht zu sprechen. Gemeinsame Gebete sind umgeben von einem Kranz möglicher Missverständnisse.
Noch wichtiger ist: Gebete sind kein Austausch von Informationen, der Empfänger ist kein Briefkasten, in den persönliche Nachrichten gelegt werden. Ein Gebet ist im Kern nicht Kommunikation, sondern eine innige Begegnung, ein Sich-Anvertrauen. Das macht es unmöglich, das Gegenüber je nac hAnlass zu verändern oder auszutauschen. Wer die Stoßgebete von Soldaten im Krieg liest, die eines Dietrich Bonhoeffer in der Nazihaft, eines Kranken auf dem Sterbebett, eines Juden, der in ein Vernichtungslager gebracht wurde: dem wird deutlich, wie ernst es um die Wahl des richtigen Gebetes und des richtigen Gegenübers ist.
Oh ja, es gibt Christen, die zu Allah beten. Auf Malta habe ich sie getroffen, im Ostergottesdienst vergangenes Jahr. Allah: So nennen sie seit der arabischen Zeit auf Malta ihren christlichen Gott - aber nur in ihrer maltesischen Sprache.