Kevin Dors:
Vor einem Jahr habe ich die Diagnose ADHS bekommen. Das hat mich umgehauen, ich dachte immer, nur kleine quengelige Jungs hätten die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Ich bin eher ruhig, nicht zappelig. Ich wusste nicht, dass es auch den Krankheitstyp gibt, der äußerlich still wirkt, dafür aber innerlich total unruhig ist.
Die Diagnose kam durch ein Schlüsselerlebnis, das ich bei meiner Arbeit hatte. Ich arbeite als Programmierer und hatte an einem Montagmorgen einen Termin für ein Online-Meeting mit einem Kunden. Kurz vor dem Gespräch hatte ich einen Blackout, mein Kopf war leer, ich musste das Meeting absagen. Ich war total verunsichert, hatte Angst, es könnte etwas Lebensbedrohliches sein, vielleicht sogar ein Tumor, und bin zum Neurologen gegangen. Er hat mich gründlich durchgecheckt und dann ADHS diagnostiziert.
In meiner Vergangenheit war eine Menge schiefgelaufen
Diese Diagnose hat mein Leben verändert, alles wurde klarer. Ich verstand plötzlich, warum in meiner Vergangenheit eine Menge schiefgelaufen ist. Ich war auf der Hauptschule gewesen, konnte mich im Unterricht schlecht konzentrieren, Hausaufgaben habe ich gar nicht oder auf den letzten Drücker gemacht. Ich war immer ein bisschen nerdig, zog mich zurück in meine Computerspiele, hatte kaum Freunde. Meine Mutter hat mich oft kleingemacht, warf mir vor, ich sei chaotisch, hätte keine Struktur, mein Vater war da glücklicherweise gelassener. Keiner von beiden ist darauf gekommen, dass ich ADHS haben könnte.
Trotz meiner Probleme konnte ich auf die Realschule wechseln und habe später sogar das Abitur auf der Abendschule nachgemacht, ich wollte unbedingt Informatik studieren. Aber nach sechs Semestern musste ich abbrechen, ich bekam manche Stoffe einfach nicht in meinen Kopf rein, das hat mich sehr frustriert.
4 Wochen gratis testen, danach mit 10 € guten Journalismus und gute Projekte unterstützen.
Vierwöchentlich kündbar.