Elbeschwimmer
Das Dampfschiff Dresden der Sächsischen Dampfschifffahrt fährt auf der Elbe an den Teilnehmern des 25. Elbeschwimmens vorbei. Der Veranstalter Elbeschwimmen Dresden e.V. rechnet mit rund 1000 Teilnehmern, die die rund 3,5 Kilometer lange Strecke schwimmen wollen.
Daniel Schäfer/dpa/picture alliance
"Wir stellen fest, dass die Menschen weniger fit sind"
In den ersten sieben Monaten 2022 sind 199 Menschen in Deutschland ertrunken. Vor allem Männer. Wie lassen sich Badeunfälle verhindern?
Tim Wegner
10.08.2022

Am ersten Wochenende im August haben sich in Dresden mehr als 1800 Menschen in die Elbe gestürzt, um rund 3,5 Kilometer mit dem Strom zu schwimmen. So viele Teilnehmer hatte das alljährliche Elbeschwimmen noch nie – es feierte diesmal sein 25-jähriges Jubiläum. Manche Schwimmer sprangen verkleidet in den Fluss, die jüngsten unter ihnen waren nicht älter als acht Jahre. Es ist eine spaßige Kultveranstaltung, die unter der aufmerksamen Aufsicht der Wasserwacht des Roten Kreuzes als ungefährlich gilt.

Mehrere Hundert Kilometer flussabwärts ist die Welt eine andere. In Hamburg machen Stromschnellen die Elbe zu einem gefährlichen Gewässer. Immer wieder geraten hier Menschen in Not, die trotz der vielen Warnungen baden gehen. Erst im Juni ist ein 13 Jahre alter Junge in Hamburg ertrunken, nachdem er von einem Fähranleger in den Fluss gesprungen war. Er ist eines von 199 Badeopfern, die in den ersten sieben Monaten dieses Jahres in deutschen Gewässern gestorben sind – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind das 15 Tote mehr.

"In vielen Fällen spielt auch Alkohol eine Rolle"

2021 ertranken insgesamt 299 Menschen bei Badeunfällen in Deutschland. Auch wenn das eine hohe Zahl ist und natürlich jeder Tote zu beklagen ist, so ist es dennoch der niedrigste Stand in der Statistik der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. (DLRG), die seit 2000 systematisch Badeunfälle in Deutschland dokumentiert. Das Jahr 2003 markiert den traurigen Höchststand mit 644 Opfern. Seither ist der Trend rückläufig. "Tatsächlich hatten wir vergangenes Jahr entgegen unserer Erwartung sehr wenige Badetote in Deutschland", sagt auch Christopher Dolz, Sprecher der Bundesgeschäftsstelle der DLRG in Bad Nenndorf. Möglicherweise seien die Menschen durch die vielen Aufklärungskampagnen im Internet umsichtiger geworden, spekuliert Dolz. Doch trotz des rückläufigen Trends gebe es nach wie vor einen deutlichen Zusammenhang zwischen Badeunfällen und sommerlichem Wetter: "Der letzte Sommer war verhältnismäßig kalt und nass. Nur im Juni hatten wir Hitze, und da waren es dann gleich 76 Ertrinkungsfälle."

Hat auch die Corona-Pandemie einen Einfluss auf die Anzahl an Badeunfälle? "Wir stellen fest, dass die Menschen weniger fit sind als vor der Pandemie", sagt der DLRG-Sprecher, und führt das auf den Lockdown und die damit einhergehende Schließung von Fitnessstudios und Schwimmbädern zurück. Auch seien viele Schwimmkurse ausgefallen. Urlauber, die dieses Jahr zum ersten Mal wieder an die Küste oder einen Badesee fahren würden, berichteten DLRG-Mitgliedern oft, seien überrascht, wie sehr sie das Schwimmen verlernt hätten.

Dass wesentlich mehr Männer als Frauen ertrinken, ist hingegen eine Konstante, die sich bereits vor der Pandemie herauskristallisiert hat: "Männer sind risikofreudiger und übermütiger als Frauen. In vielen dieser Fälle spielt zudem Alkohol eine Rolle", sagt Dolz. Auch Personen über 50 Jahre sind laut der DLRG häufig von Badeunfällen betroffen. Kreislauf- oder Herzerkrankungen, deren sich ältere Badegäste nicht bewusst seien, träten oft zum ersten Mal im kalten Wasser auf.

Auch Geflüchtete tauchen in der Todesstatistik der DLRG häufig auf. Menschen aus Ländern wie Afghanistan oder Syrien hätten selten eine Schwimmausbildung. "Wasserflächen sind dort eine wichtige Ressource und werden nicht zum Spaß genutzt", sagt Dolz.

Vorsicht vor Gewässern in alten Bergbaugebieten

Unterschiede gibt es auch zwischen den Bundesländern. Bayern verzeichnet viele Badeunfälle, es ist ein bevölkerungsreiches Land, touristisch stark erschlossen und hat die meisten Badeseen. Dennoch ist hier die Zahl der Badetoten seit drei Jahren in Folge gesunken. Waren es im Jahr 2019 noch 95 Tote, beträgt die Zahl im Jahr 2021 noch 60. Ein ähnlicher Trend zeichnet sich auch in Nordrhein-Westfalen ab.

In östlichen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen ist der Trend hingegen leicht steigend. Laut Dolz hängt das mit den in Ostdeutschland stillgelegten Bergbaugebieten zusammen, die nun nach und nach mit Wasser aufgefüllt würden. Die so entstehenden Wasserflächen seien für unerfahrene Schwimmer gefährlich: "Es gibt dort Abrisskanten. Das heißt, dort geht es plötzlich viele Meter tief runter und die Wassertemperatur fällt ab", sagt Dolz. Das steigere die Gefahr von Krämpfen im Wasser.

Tim Wegner

Tobias Müller

Tobias Müller war von 2022 bis 2024 der zuständige Redakteur für chrismon.de. Zuvor arbeitete er mehrere Jahre als Junior bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Dort war er vor allem für die Redakteur*innen vom Dienst im "FAZ.NET"-Newsroom und die Audio/Video-Redaktion tätig. Im Bachelorstudium hat er sich mit dem digitalen Wandel des Journalismus befasst. Darauf folgte ein Masterstudium der Friedens- und Konfliktforschung.

Was tun, wenn man einen Menschen im Wasser in Not sieht? "Auf keinen Fall sollte man ohne entsprechende Ausbildung sofort hinterherspringen", sagt Dolz. Das Wichtigste sei, umgehend den Notruf abzusetzen, auch andere Passanten auf den Notfall aufmerksam zu machen und, wenn möglich, der Person gut zuzureden, so dass sie bei Bewusstsein bleibe. "Wenn man ein Seil oder einen langen Ast findet, kann man den der Person zuwerfen, so dass sie sich festhalten kann", sagt Dolz. Erst wenn die Person regungslos im Wasser treibe, könne man zu ihr schwimmen und sie rausziehen. Wichtig ist laut dem DLRG-Sprecher aber, die Person immer von hinten aus dem Wasser zu schleppen. Kommt sie plötzlich wieder zu Kräften, drohe sonst die Gefahr, dass sie in Panik um sich schlägt und andere Menschen unter Wasser zieht.

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