Schmu in der Kanzlei
Schmu in der Kanzlei
Kati Szilagyi
Schmu in der Kanzlei
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.
undefinedGEP
31.05.2022

Johannes M. fragt:

"Ich absolviere gerade eine Referendariatsstation in einer Anwaltskanzlei. Ständig rät mein Chef Mandanten zu Klagen, die offensichtlich aussichtslos sind. Bringt ihm halt Geld ein. Ich habe schon mal ­versucht zu sagen, dass ich mich schlecht dabei fühle, solche Klage­schriften zu formulieren. Wenn ich mich weigern würde, bekäme ich eine schlechte Bewertung. Was mache ich mit meinen Gewissensbissen?"

Stefanie Schardien antwortet:

Zunächst: Glückwunsch zu den Gewissensbissen! Sie werden ein guter Jurist. Zugleich mein Beileid: Leider sitzen Sie noch am kürzeren Hebel. Dass er Mandanten von aussichtslosen Klagen abzuraten hat, weiß Ihr Chef selbst sehr genau.

undefinedGEP

Stefanie Schardien

Stefanie Schardien wurde 1976 in Dortmund geboren und wuchs in der Herzlichkeit des Ruhrgebiets auf. Studium und Beruf führten sie an mehrere Orte: nach Heidelberg, Toronto und Bochum, zum Vikariat nach Hattingen/Ruhr, mit einer Juniorprofessur für Systematische Theologie an die Universität Hildesheim und als Kindergottesdienstpfarrerin nach Nürnberg Als Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern arbeitet sie seit 2016 im Team der Kirchengemeinde St. Michael in der Fürther Altstadt. Für Stefanie Schardien verbinden sich an diesem Ort die besten Eigenschaften von "Citykirche und Dorfgemeinde": "Die Gemeinde hat einen fröhlichen weiten Geist, der viel Kreativität ermöglicht; und gleichzeitig kennt man sich und kümmert sich umeinander." Den Sinn ihrer Arbeit sieht sie darin, gemeinsam den religiösen Fragen nachzugehen und die Antwortversuche des Glaubens zu übersetzen. Und dabei immer wieder auch von der christlichen Freiheit zu erzählen. "Denn die kann es mit all der Angst aufnehmen, die im Moment geschürt wird." Schardien ist überzeugt, dass viele Menschen großes Interesse an Themen haben, mit denen sich Theologie und Kirche beschäftigen. Darum verlässt sie auch gern einmal die Kirchenmauern: Seit langem ist sie für das Radio tätig, aktuell mit Evangelischen Morgenfeiern auf BR 1, und engagiert sich als Präsidiumsmitglied beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Was können Sie also tun? Die beste Variante wäre, die Re­­fe­rendariats­station zu wechseln und sich einen ehrlichen Ausbilder zu suchen. Sollte das nicht möglich sein, haben Sie die Wahl zwischen zwei Optionen, die ­beide nicht ganz erfreulich sind. Entweder halten Sie Ihre Maß­stäbe hoch und riskieren damit die schlechte Bewertung, könnten Ihrem Chef oder den Mandanten aber Ihre Meinung deutlich sagen. Das wäre unter Umständen für Sie ein hoher Preis.

Oder Sie nutzen mit Ge­wissensbissen das unmoralische Spiel für die überschaubare Zeit als bittere Lehrstunde, um es in Zukunft als Anwalt oder Richter besser zu machen. Zumindest im Nachhinein könnten Sie durch ­eine Meldung bei der Anwaltskammer darauf hoffen, dass Ihr Chef nicht so weitermachen kann. Mit freundlichem Gruß an den unehrlichen Chef ende ich darum mit einem herzhaften: Der liebe Gott sieht alles!

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.
Permalink

Geschätztes Redaktionsteam,
liebe Frau Schardien,
mit Interesse habe ich die Problemstellung gelesen, vermag Ihren Empfehlungen aber nur sehr eingeschränkt zu folgen.
Die wider besseres Wissen abgegebenen Klageempfehlungen des Rechtsanwalts, die nur das eigene Gebühreninteresse bedienen, stellen sich als strafbare Betrugshandlungen gem. § 263 Strafgesetzbuch dar. Hieran darf der Referendar nicht mitwirken, er würde sich wegen Beihilfe selbst strafbar machen. Vielmehr muss er seine Überzeugung von der Aussichtslosigkeit des Klagbegehrens seinem Ausbilder gut begründet schriftlich darlegen.
Berufliche Nachteile drohen ihm nicht wirklich. Die Note der Einzelausbildung fließt nicht in die Note des 2. Staatsexamens ein. Ob er überhaupt mit einer schlechten Bewertung rechnen muss, darf bezweifelt werden. Der betrügerische Rechtsanwalt wird darauf bedacht sein, sich keine Feinde zu schaffen.
Der Referendar sollte sich auf jeden Fall eine neue Ausbildungsstelle suchen. Er lernt dabei nicht nur etwas Wichtiges für seinen Beruf, sondern auch für das Leben: den aufrechten Gang!
Freundliche Grüße
Andreas Kreysa
Erfurt

Permalink

Die Verfasserin beendet ihren Artikel mit der Behauptung : "Der liebe Gott sieht alles". Da frage ich mich als kritischer Mensch, sieht er auch das ganze Elend auf der Welt? Sieht er die entsetzlichen Kriege, die verzweifelten Menschen?
Einige Seite weiter im Chrismon lese ich, "Gott liebt die Menschen". Wie passen christliche Glaubensaussagen und Realitäten zusammen? Die mögliche Antwort, wir kennen Gotteswille nicht, ist wenig überzeugend.
Werner Koschorreck, Essen