Ich lebe und arbeite seit Anfang des Jahres in der Hauptstadt von Mali. Als junge Frau beschäftigt mich die Gleichberechtigung der Geschlechter. Meine Bürokolleginnen erzählen, wie es in ländlichen Regionen zugeht, wo die männlichen Dorfältesten über das Leben aller bestimmen. Sie entscheiden auch über Eheschließungen und ob jemand zur Schule gehen darf.
Léa Knust
Der Druck auf Frauen wächst. 2009 wurde im malischen Recht das legale Alter für eine Eheschließung von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt, bei religiösen Heiraten gilt dieses erst gar nicht. Nach jeder Art der Eheschließung gilt, dass die Frau ihrem Ehemann unterstellt ist, und selbst gebildete Frauen können Rechte wie Meinungsfreiheit, Eigentumsrecht und Selbstbestimmung nicht ungehindert ausüben.
Das ist für mich unvorstellbar. Doch dann sehe ich meine Kolleginnen, die sich ihren Weg erkämpft haben. Die meisten von ihnen sind verheiratet und haben Kinder. Sie üben Vollzeitjobs aus und ihre Mütter, Schwestern oder Cousinen unterstützen sie. Die Familienverbünde bestehen hier aus 50 Menschen und mehr. "Frauen helfen Frauen", lautet das Motto.
Willenskraft und Stärke
Eine Kollegin beeindruckt mich besonders. Auch sie hat eine Familie mit mehreren Kindern. Sie ist 35, Expertin im Bereich Hungerbekämpfung, und hat als Einzige von uns einen Doktortitel. Sie fing 2012 hier an und übernahm immer wichtigere Aufgaben. Vor wenigen Tagen wurde sie die erste weibliche malische Projektmanagerin in unserem Landesbüro. Ich weiß, dass es nicht leicht für sie ist, als Frau in dieser von Männern dominierten Gesellschaft voranzukommen und ernst genommen zu werden. Sie geht mit allen höflich um, respektiert Traditionen und Hierarchien und verfolgt beharrlich ihre Ziele. Diese Kollegin schafft es, ein Vorbild für moderne Frauen in Mali zu sein, ohne die eigene Kultur und Prägung zu verleugnen. Mich fasziniert die Hoffnung und besonders die Stärke und Willenskraft der malischen Frauen.