Mallorca? Ja! Ostern in die Kirche? Nein!
Die Kirchen sind aufgerufen, ihre Gotteshäuser an Ostern geschlossen zu halten - für die Politik ist das ein Armutszeugnis
Tim Wegner
23.03.2021

Es ist nur ein Satz, versteckt in Punkt 4 der nächtlichen Beschlüsse von Bund und Ländern, mit denen die Politik die Pandemie bekämpfen will: "Bund und Länder werden auf die Religionsgemeinschaften zugehen, mit der Bitte, religiöse Versammlungen in dieser Zeit nur virtuell durchzuführen." Im Klartext heißt das: Schließt an Ostern, dem wichtigsten Fest der Christenheit, die Kirchen zu und versammelt die Leute stattdessen vor den Fernsehern und Monitoren.

Tim Wegner

Nils Husmann

Nils Husmann ist Redakteur und interessiert sich besonders für die Themen Umwelt, Klimakrise und Energiewende. Er studierte Politikwissenschaft und Journalistik an der Uni Leipzig und in Växjö, Schweden. Nach dem Volontariat 2003 bis 2005 bei der "Leipziger Volkszeitung" kam er zu chrismon.

Vor einem Jahr, als die Pandemie gerade ausgebrochen war, konnte man Verständnis haben für so eine Vorsichtsmaßnahme. Aber nun, nach 13 Monaten Corona, verrät der Satz viel über das Scheitern der Politik. Urlaub auf Mallorca? Das geht, wenn vor dem Rückflug getestet wird. Ostergottesdienste mit ausgearbeiteten Hygienekonzepten? - Nein, lieber nicht. Das ist nicht nur widersprüchlich, sondern ein Armutszeugnis. Denn die Bitte, Gotteshäuser geschlossen zu halten, offenbart einmal mehr, dass nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Demokratie unter Corona leidet. Die freie Religionsausübung ist nichts, was man über Nacht aus dem Grundgesetz hinauskomplimentieren könnte  - es ist ein Grundrecht.

Nun ist Diplomatie gefragt

Was nun? Die Spitzen der EKD und der Landeskirchen tun gut daran, ihre Sicht der Dinge ruhig und klar kundzutun. Das letzte Wort dürfte - wie so oft - eben nicht gesprochen sein, wenn Kanzlerin und Ministerpräsidentinnen und -präsidenten die Rechner nach ihren virtuellen Sitzungen herunterfahren. Diplomatie ist gefragt. Wenn man das Abendmahl in Kirchen erlauben möchte, Gastronomen am Rande der Pleite aber keine Menschen bewirten dürfen, verstehen das die wenigsten. Viele Gläubige hätten sicher auch ohne politischen Druck auf den Besuch eines Gottesdienstes verzichtet, wie sich ohnehin eine große Mehrheit der Menschen seit einem Jahr in bewundernswerter Geduld und Solidarität zurücknimmt. Herzlich bedanken darf man sich bei jenen Glaubensgemeinschaften, die munter gegen Hygienevorschriften verstoßen und nicht selten Superspreading-Events - veranstaltet haben. Für sie haften nun all jene, die sich immer vernünftig verhalten haben.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagt, der Beschluss des Corona-Gipfels habe ihn "sehr überrascht". Angela Merkel, Reiner Haseloff, Daniel Günther - viele der Menschen in Regierungsverantwortung sind Protestanten oder Katholiken. Reden die nicht mehr mit ihren Kirchen? Beratungen über das, was da beschlossen wurde, haben sie im Vorfeld der Entscheidungen jedenfalls offenbar nicht für nötig erachtet. Das zeugt von wenig Respekt den Kirchen gegenüber. Und, aus anderer Perspektive betrachtet, davon, dass die Kirchen von der Politik nur mehr als eine Interessengruppe von vielen gesehen werden - und nicht mehr als eine besonders geachtete, wertgeschätzte Glaubensgemeinschaft.

Die Kirchen sollten nun selbstbewusst betonen, dass sie nicht nur Gottesdienste zu bieten haben. Es waren und sind ihre Vertreterinnen und Vertreter, die in der Pandemie helfen und anpacken. Ich werde - zum Beispiel - nie vergessen, wie die Erzieherinnen und Erzieher aus unserer Kita Bastelsets für die Kinder packten, damit die zu Hause im Lockdown eine Freude haben. Wir konnten sie abholen, als vor den Spielplätzen noch Absperrbändern flatterten. Und wir schauten Videos mit den Kindern, die in der Kita mit viel Liebe gedreht worden waren. Die Einrichtung ist evangelisch. Und Mitarbeitende der Diakonie waren es, die die Menschen in Pflegeheimen nicht alleinließen, als das Virus dort wütete. Sie verzichteten auf Begegnungen in der Freizeit, um Bewohner zu schützen. Auch sie sind Kirche.

Ein Glück, dass wir sie haben! 

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