Die Rothschilds und die Franks
Die Rothschilds und die Franks
Yves Suchsdorff/Jüdisches Museum Berlin
"Wir sind jetzt"
Zwei Museen und ein Gedenkjahr - und so viel jüdische Kultur!
Tim Wegner
Tim Wegner
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
29.12.2020

Die Rothschilds und die Franks 

200 Jahre Geschichte und: "Wir sind jetzt". Das neue Jüdische Museum in Frankfurt am Main

Ganze elf Tage hatte das Jüdische Museum in Frankfurt nach dem fünf Jahre dauernden Umbau geöffnet, da musste es schon wieder schließen, Lockdown light. Ausstellungen zu, aber Bibliothek, Literaturhandlung und "Flowdeli", das koschere Museumscafé, geöffnet. Und natürlich gibt’s auch auf der Homepage viel zu sehen. Aber die Architektur, die Stimmung, das Licht, überhaupt die Konzeption – unbedingt lohnt ein Besuch, wenn es Corona denn wieder erlaubt. Die neue Dauerausstellung "Wir sind Jetzt" zeigt auf drei Etagen die jüdische Geschichte Frankfurts der letzten 200 Jahre. Videoinstallationen, Slideshows, digitale Vitrinen, historische Filme, aber natürlich auch Gemälde, Fotografien, Leuchter, Briefe und mehr erzählen Gesch­ichten vom Leben im Jetzt, von Vertreibung und Vernichtung, von Familien wie den Rothschilds und den Franks. Im Untergeschoss des neuen Lichtbaus ist bis 14. Februar die Ausstellung "Die weibliche Seite Gottes" zu sehen. Sie geht der Frage nach, wohin die archaischen Vorstellungen von Göttinnen in Judentum, Christentum und Islam verschwunden sind und zeigt Funde aus der Zeit des antiken Israels bis hin zu Werken von Kiki Smith oder Anselm Kiefer.

 juedischesmuseum.de

Adam und Eva von Franz von Stuck, um 1920, eine Leihgabe des Städel Museums Frankfurt

Klezmer in der Klangkoje

Judentum sehen und hören. Das Jüdische Museum in Berlin und seine neue Dauerausstellung

Es lohnt sich reinzuhören: Autumn Leaves auf Jiddisch! Oder wie der jüdische Kantor Azi Schwartz mit dem Rias-Kammerchor das Kiddusch von Kurt Weill singt. Oder in das Sh’ma Jisrael ("Höre, Israel") von Louis Lewandowski, dessen romantische Kompositionen heute noch in der Synagoge Pestalozzistraße in Berlin erklingen. Dazu Rock, Pop, Klezmer und mehr, zu hören in einem der Themenräume zur Dauerausstellung des Jüdischen Museums in Berlin. Dort zieht man sich in eine Klangkoje hinter einem Metall­vorhang zurück und genießt. Und wer es nicht bis Berlin schafft, lauscht einfach über den Internet­auftritt des Museums. Seit August 2020 bietet das Jüdische Museum ­eine neue Dauerausstellung. Sie führt durch die Geschichte der Juden nördlich der Alpen, zeigt ihre Stigmatisierung im Mittelalter, wie sie sich seit der Auf­klärung emanzipierten, wie Nazideutschland unfassbares Leid über unzählige Familien brachte. Nach 1945 folgte linksextremistischer Terror: ein versuchtes Bombenattentat am 9. November 1969 auf die voll besetzte Synagoge Fasanenstraße; eine Flugzeugentführung im Juni 1976 nach Entebbe, Uganda. – Auch wichtig: ­jüdisches Leben heute. Stöbern auf der Internetseite entschädigt, falls das Museum wegen Corona wieder schließen muss.

jmberlin.de – für einen Onlinebesuch im Klangraum einfach hier klicken.

Wie leben die denn so?

Seit 1700 Jahren siedeln Jüdinnen und Juden in Deutschland. Das wird jetzt groß gefeiert

Im Jahr 321 erlaubte der römische Kaiser Konstantin mit einem Edikt Juden den Zugang zum Rat der Stadt Köln. Dieses Ereignis feiern Juden und Nichtjuden, Bund, Länder und Städte 2021 mit einem großen Jubiläumsjahr "1700 Jahre ­jüdisches Leben in Deutschland": Geplant sind Musik- und Kunstfestivals, Ausstellungen, das größte ­Laubhüttenfest der Welt, im Sommer tourt ein "Begegnungsbus" durchs Land, damit Menschen jüdisches Leben auch dort kennen­lernen können, wo keine Jüdinnen und Juden wohnen.

Weitere Infos über das Festjahr unter 2021JLID.de.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.
Permalink

Sehr geehrte Damen und Herren,
für den Hinweis auf das Festjahr 2021 sei gedankt, wenn mir auch die Hauptüberschrift etwas paternalistisch und die Genderung in der Nebenüberschrift überflüssig vorkommen.
In seinem Schreiben an die Dekurionen von Köln aus dem Jahr 321 ging es Kaiser Konstantin übrigens nicht darum, Juden etwas zu erlauben. Er hebt vielmehr die bis dato geübte Befreiung jüdischer Bürger auf, in die Curia berufen und damit zu städtischen Ehrenämtern verpflichtet zu werden, deren Ausübung neben persönlichen Belastungen auch zu Konflikten mit dem Einhalten jüdischen Religionsgesetzes führen konnte. Nur zwei oder drei jüdische Bürger behielten das Vorrecht der Befreiung.
Diese Urkunde Kaiser Konstantins belegt indirekt die Existenz einer jüdischen Gemeinde in Köln zu Beginn des 4. Jahrhunderts und zudem, dass Juden im Jahre 321 Grundbesitzer waren, da sie nur als solche in kommunale Ämter berufen werden konnten. Zugleich dürften sie sich dort nicht erst kurz zuvor angesiedelt haben.
Bei dieser zugegeben schon etwas komplizierten Ausgangslage bezüglich des dokumentierten Anfangs jüdischen Lebens in Köln und in Deutschland erwarte ich mit Spannung die verschiedenen Veranstaltungen des Jahres 2021.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Johannes Wachten

Sehr interessant, wobei freiwillige Pflichten ja ein Widerspruch sind. Konstantin hat den Juden also Zwangsbürgerrechte verliehen. Nicht so gravierend aber ähnlich, wie ein Bürgermeister heute junge Männer in die "Freiwillige" (besser Amateur-)Feuerwehr verpflichten kann. Ein Bürger wurde erst vollwertig, wenn er auch alle Pflichten tragen mußte. Wäre heute auch ganz gut.