Es war nur noch Streit zu Hause. Wenn ich ein Problem ansprach, wurde es nach zwei, drei Sätzen laut. Die Stimme meiner Frau überschlägt sich dann. Ich wollte, dass sie aufhört zu schreien. Also hab ich sie an den Schultern gepackt, mit der Faust gegen den Arm geboxt, sie hat zurückgeboxt, das wurde derber, dann hab ich ihr eine Ohrfeige gegeben. Eines Sonntags hat sie gesagt, dass sie die Polizei ruft. Da habe ich meine Tasche gepackt und bin weg.
Ich hatte wirklich Angst, meine Familie zu verlieren
Nach zwei Wochen kam ich zurück. Wir haben nicht gesprochen über die Sache. Sie fand dann im Internet die Gewaltberatung. Ich hab einen Termin ausgemacht, weil ich wirklich Angst hatte, meine Familie zu verlieren. Und der Herr Wenzel war eine so sympathische Erscheinung, ich hatte gleich das Gefühl: Der kann dir weiterhelfen, der ist Experte. Er hat mich viel gefragt. Zum Beispiel, warum ich so gereizt bin.
Ich bin die Woche über beruflich weg, und wenn ich dann freitags nach Hause kam, hab ich gleich so einen Hals gekriegt! Der eine Sohn spielte Playstation, der andere lag vorm Fernseher, hatte Jacke, Schuhe, Tasche irgendwo hingeschmissen, meine Frau war noch im Büro, in der Küche stand das Geschirr rum... Am Sonnabend haben wir eingekauft, aufgeräumt, geputzt, dann war der Tag rum und wir haben ferngesehen. Der Sonntag plätscherte so vor sich hin, und am Abend sagte ich mir: Das ist alles so leblos!
"Mich kotzt das alles an."
ch hab das oft angesprochen. Aber ich kam dann in so einen Redeschwall rein. Und keiner hörte mir zu. Das machte mich wütend. Am Anfang hab ich zu Herrn Wenzel oft gesagt: "Mich kotzt das alles an." Ich konnte das gar nicht aufschlüsseln. Erst allmählich merkte ich, dass ich mich hilflos fühlte. Auch enttäuscht. Und manchmal traurig.
Ich dachte damals, meine Frau ist an allem schuld. Die provoziert mich, da kann man reden und reden, und es passiert nichts! Dabei möchte ich, dass ich gebraucht werde von meiner Familie, dass sie mich mögen, dass meine Frau zu mir kommt, wenn es ihr nicht gutgeht... Herr Wenzel hat mir gezeigt, dass es an mir liegt. Wenn ich ununterbrochen rede und dann auch noch schlage, um mir Gehör zu verschaffen na, da bin ich unten durch.
Früher dachte ich: Nur was ich sage, ist richtig.
Ich habe lernen müssen, besser zuzuhören. Früher dachte ich: Nur was ich sage, ist richtig. Jetzt frage ich meine Kinder, wie sie was sehen. Oder meine Frau, wenn sie sich aufregt: "Was ist denn los? Was hat dich denn jetzt so verärgert?" Manchmal staune ich, wie leicht es ist, mit manchen Problemen umzugehen. Ich kann richtig sehen, wie sich mein Verhalten auf die Familie auswirkt.
Wenn ich jetzt nach Hause komme, sage ich nicht mehr: "Wie sieht's denn hier aus?", sondern überlege: Warum hat der Sohn seine Jacke rumliegen lassen? Vielleicht ist er gerade erst heimgekommen, vielleicht hatte er einen schlechten Tag. Also frage ich ihn, wie sein Tag war. Erst später sage ich freundschaftlich, ohne Vorwurf: "Nachher nimmst du dann deine Sachen mit hoch."
Weites Feld statt Tunneblick
Ich komme jetzt nicht mehr mit diesem verärgerten Tunnelblick nach Hause, sondern ich sehe ein weites Feld vor mir. Neulich stand meine Frau im Garten am Teich, und ich hatte so das Gefühl, dass sie ein bisschen Ruhe haben möchte. Das hätte ich früher gar nicht registriert. Ich hab ihr dann was zu trinken gebracht. Wir nehmen uns jetzt Zeit für Dinge, die uns Freude machen. Wir machen schon am Freitag einen Teil der Hausarbeit, so dass wir uns am Sonnabendnachmittag aufs Rad setzen können. Ich musste aber auch akzeptieren, dass unter der Woche, wenn ich nicht da bin, meine Frau das Sagen hat.
Ich habe meiner Frau unendlich wehgetan. Einmal hat sie gesagt: "Ich hab Angst vor dir." Mir wird ganz flau, wenn ich daran denke. Aber wir sind uns wieder nähergekommen. Wenn wir uns jetzt am Freitag wiedersehen, umarmt sie mich. Vorher haben wir uns halt Guten Tag gesagt. Ich ärgere mich wirklich, dass ich mir nicht schon viel früher Hilfe gesucht habe.