Am ersten Dezember war es wieder so weit: Meine Nachbarsfamilie im Haus gegenüber hat ihren Plastikchristbaum und die Krippe mit den bunten, blinkenden Lichtern aufgestellt und wird ihn pünktlich am 25. Dezember wieder wegräumen.
Romantische Weihnachtsmärkte, Adventskränze, geschmückte Wohnungen. Plätzchenbacken, Weihnachtsfeiern, Lesungen und Konzerte - was in Deutschland traditionell zur Adventsstimmung dazugehört, kennt man in Frankreich kaum. Da muss man schon ins Elsass oder nach Lothringen fahren.
Barbara Franke
Der "Marché de Noël", also der Weihnachtsmarkt, in den Tuilerien von Paris erinnert mit seinen Jahrmarktsbuden und Karussells eher an ein Volksfest. Sie heißen dann nur anders, etwa "Balancoire du Père Noël", die Schaukel des Weihnachtsmanns. Viele Deutsche, die in Frankreich leben, vermissen die "Weihnachtsstimmung"- wobei man ehrlicherweise zugeben sollte, dass auch sie mit dem eigentlichen Bußcharakter der christlichen Adventszeit wenig zu tun hat.
Dafür laufen in der Deutschen Evangelischen Christuskirche die Vorbereitungen für unseren großen Adventsmarkt schon seit Herbst. Da gibt es alles, was die Herzen in der Vorweihnachtszeit höherschlagen lässt: deutsche Weihnachtsspezialitäten und Basteleien. Adventsliedersingen, Glühwein und Kartoffelsalat mit Würstchen, den viele nicht missen wollen.
Im treuen Ehrenamt schmücken Damen der Gemeinde seit Jahrzehnten fast 100 Adventskränze liebevoll mit Kerzen, Zapfen und roten Schleifen. Benachbarte Hotels und französische Familien kaufen die Kränze gerne, trotz der wachsenden Konkurrenz durch deutsche Supermärkte, die auch in Frankreich ihre Ware für niedrigere Preise anbieten.
Doch dieses Jahr ist manches anders: Werden die Kränze pünktlich aus Polen angeliefert? Ein Rest Unsicherheit bleibt, denn die langanhaltende Dürre in diesem Sommer hat auch den Nadelbäumen stark zugesetzt. Andererseits sind die Lieferwege durch den anhaltenden Krieg komplizierter geworden. Probleme gibt es auch mit den Kerzen, die durch Materialengpässe nicht ausreichend zur Verfügung stehen.
So machen die Folgen des Klimawandels und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine auch nicht vor unserem Adventsmarkt Halt - das wirft Fragen auf, denn die Wut vieler Französinnen und Franzosen über stark gestiegene Lebenshaltungskosten ist in dieser Zeit besonders spürbar. Könnten sich die "Gelbwesten"- Proteste und wochenlangen Streiks wie 2019 dieses Jahr in einer Neuauflage wiederholen? Droht Frankreich ein Protestwinter?
Die Prachtstraße Champs-Élysées jedenfalls, die Jahr für Jahr spektakulär festlich in den Firmenfarben des jeweils als Sponsor auftretenden Unternehmens beleuchtet wird, könnte dieses Jahr wohl weniger Glanz verbreiten als sonst.