Kürzlich war im "Tagesspiegel" zu lesen, dass Einreichungen von Männern für wissenschaftliche Fachzeitschriften in den vergangenen Wochen um 50 Prozent gestiegen seien, während Wissenschaftlerinnen keine Texte mehr vorlegten. Müssen Sie auch zurückstecken?
Mareike Bünning: Mein Mann und ich teilen uns Kinderbetreuung und Hausarbeit. Trotzdem habe ich derzeit weniger Zeit für meine Arbeit als Wissenschaftlerin.
Auf der Internetseite des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) wollen Sie mit einer Online-Umfrage ermitteln, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die Arbeit und das Familienleben hat. Können Sie schon etwas zu den Ergebnissen sagen?
Wir sind drei Leute im Team und haben insgesamt vier Kinder, deshalb sind wir leider nicht so weit, wie wir wollten. Aber ich kann schon etwas dazu sagen, wie sich die Pandemie auf die Erwerbsarbeit von Müttern und Vätern auswirkt.
Mareike Bünning
Und?
Wir sehen, dass Eltern in der Krise weniger arbeiten als Menschen ohne Kinder. Für viele geht es nicht anders, weil sie ihre Kinder betreuen und oft ja auch unterrichten müssen. Diesen Effekt sehen wir bei Müttern und Vätern. Es deutet sich bei den Müttern aber häufiger als bei den Vätern an, dass sie in der Pandemie gar nicht mehr arbeiten, obwohl sie eigentlich einen Job hätten.
Wie viele Menschen haben mitgemacht?
Mittlerweile haben über 13 000 Personen unseren Fragebogen vollständig ausgefüllt. Davon sind mehr als 10 000 erwerbstätig.
Vor der Krise ging es zwischen den Geschlechtern auch nicht gerecht zu. Oder hatten Eltern bis Corona die Familien- und Hausarbeit schon fairer untereinander aufgeteilt als früher, vor einigen Jahrzehnten?
Bei der Kinderbetreuung ist durchaus etwas passiert in den vergangenen Jahren, durchs Elterngeld. Andererseits: Die Regelung gibt es seit 13 Jahren, und mehr als 60 Prozent der Väter verzichten immer noch komplett auf die Elternzeit. Und die Väter, die sie nutzen, beantragen meist nur zwei Monate Elternzeit. Ich würde sagen: Es passiert etwas, aber sehr, sehr langsam.
Nils Husmann
Viele Väter haben Angst vor Karrierenachteilen. Zu Recht?
Dazu haben wir kürzlich eine Studie gemacht. Diese Karriereängste gibt es unter Vätern, und zwar massiv. Unsere Daten haben dann aber gezeigt, dass der Anteil der Mütter, der angegeben hat, aufgrund der Elternzeit deutliche berufliche Nachteile erfahren zu haben, viel höher war als der bei den Vätern.
Also die Väter haben Angst vor etwas, was ihnen gar nicht droht?
Genau. Natürlich gibt es Einzelfälle, bei denen es anders ist, aber im Durchschnitt sind die Sorgen unbegründet. Die größeren Nachteile erleiden die Mütter, sie reden nur nicht so viel darüber. Viele hatten das für sich wohl schon eingepreist, es war ja schon immer so – leider.
"Väter erleben Zeit mit dem Kind offenbar wertvoller als die Zeit, in der sie putzen oder die Wäsche machen"
Verändert die Elternzeit denn das Drittel der Väter, das sie nutzt?
Ja, Elternzeit-Väter kümmern sich im Schnitt eine Stunde mehr pro Tag um die Kinder als die Väter, die keine Elternzeit nehmen. Und zwar auch noch in den Jahren nach der Elternzeit. Aber bei der Hausarbeit passiert weniger, da gibt es kaum Effekte. Väter erleben die Zeit mit dem Kind offenbar wertvoller als die Zeit, in der sie putzen oder die Wäsche machen.
An Geschenke für Kindergeburtstage von Freundinnen und Freunden des eigenen Kindes zu denken. Oder daran, dass das Kind bald in die nächste Schuhgröße wächst. Haben Sie auch schon untersucht, wer das übernimmt?
Was im Kopf mitläuft, ist noch nicht so gut erforscht, aber wir können davon ausgehen, dass – nach allem, was wir über die Hausarbeit wissen – dieses Mental Load sehr viel stärker auf den Müttern als den Vätern lastet.
Wie sind Haus- und Familienarbeit denn unter Elternpaaren aufgeteilt?
Die Tendenz ist: Bevor Kinder da sind, teilen Paare sich die Hausarbeit relativ gleich auf. Mit der Geburt des ersten Kindes tritt der Effekt der Re-Traditionalisierung ein.
"Mütter minderjähriger Kinder verbringen im Schnitt fast 40 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit - Väter hingegen nur gut 22 Stunden"
Warum?
Das kommt dadurch, dass Frauen ihre Zeit komplett neu einteilen, wenn sie Mütter werden - und das in einer Phase, in der die jungen Väter kaum anders mit ihrer Zeit umgehen als kinderlose Männer. Um ein paar konkrete Zahlen zu nennen: Die letzte Zeitverwendungserhebung hat ergeben, dass Mütter minderjähriger Kinder im Schnitt fast 40 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit verbringen - Väter hingegen nur gut 22 Stunden. Zum Vergleich: Kinderlose Frauen wenden im Schnitt knapp 25 Stunden pro Woche für unbezahlte Arbeit auf, kinderlose Männer 18 Stunden.
Was hält die Männer davon ab, sich um die Dreckwäsche zu kümmern?
Dass sie die dreckige Wäsche schlicht vergessen. Es gibt Studien, für die Paare während der Schwangerschaft befragt wurden, wie sie ihr Leben nach der Geburt handhaben wollen. Da sieht man: Die werdenden Eltern haben sich über die Kinderbetreuung Gedanken gemacht, auch über ihre Berufe und wie viel sie arbeiten wollen – aber nahezu kein Paar hat offen über die Hausarbeit gesprochen.
Und wenn Väter Elternzeit nehmen, sind die Mütter meistens auch noch zu Hause.
Genau, dann müssen die Männer nur einen Teil managen. Viele fühlen sich in dieser Zeit zwar vollverantwortlich fürs Kind, aber nur wenige auch für die Hausarbeit. Wenn man das nicht reflektiert und diskutiert, entstehen Muster. Und wenn die sich erst einmal eingeschlichen haben, kommt man schwer wieder da raus.
"An Männer und Frauen richten sich nach wie vor unterschiedliche Rollenerwartungen"
Spielen Geschlechterklischees eine Rolle?
Ja, an Männer und Frauen richten sich nach wie vor unterschiedliche Rollenerwartungen. Als Mutter beobachte ich, dass Kinder von Anfang an darauf geprägt werden, auch heute noch. Es ist krass, wie schon kleine Kinder nach Mädchen und Jungs unterteilt werden. Auch durch die Massenkultur. Meine Tochter steht gerade voll auf Prinzessinnen. Und in den Geschichten dazu wird immer noch das Dogma erhoben, dass Mädchen schön zu sein haben.
Stimmt es, dass Väter mehr in ihren Berufen arbeiten und länger im Büro arbeiten als in der Zeit, in der sie noch kein Kind hatten?
Das lese ich auch immer wieder in Studien, aber die verweisen dann meistens auch nur auf noch ältere Studien. In meinen Analysen habe ich diesen Effekt nicht mehr gefunden. Aber diese Erzählung hält sich hartnäckig.
"Ach, dann mache ich es eben doch wie alle anderen Mütter"
Eine gute Nachricht! Sind die Mütter auch einfach selbst schuld, dass sie die alten Fesseln nicht lösen?
Man kann versuchen, als Mutter dagegen zu kämpfen. Aber wenn man sich in alten Strukturen bewegt, hat man es als einzelner Mensch sehr schwer, etwas zu verändern. Dafür muss eine Frau viele Auseinandersetzungen in Kauf nehmen, und die kann sie sich ersparen, wenn sie sagt: "Ach, dann mache ich es eben doch wie alle anderen Mütter." Sie müssen sich dann auch nicht mehr erklären und rechtfertigen, was ja auch anstrengend ist.
Oft hört man von Vätern das Argument: "Ich verdiene besser, daher haben wir uns entschlossen, dass meine Frau sich um die Kinder kümmert." Sind fairere und bessere Einkommen für Frauen der Schlüssel, die Rollenbilder aufzubrechen?
Sicherlich spielt Geld eine Rolle. Auch in der Corona-Krise. Wenn beide Elternteile weiter arbeiten könnten, der Vater aber besser verdient, würde es das Familieneinkommen ja stärker schmälern, wenn der Mann jetzt Homeschooling und Haushalt übernimmt. Ich verstehe das bei Familien, bei denen das Geld knapp ist. Aber ich höre diese Geschichten auch von Eltern, die beide gut verdienen. Aus Schweden gibt es eine Studie, für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Paare betrachtet haben, bei denen die Frau besser verdient als der Mann. Das Ergebnis war, dass Mütter das finanzielle Argument sehr viel seltener betonen. Ich folgere daraus: Geld ist eine Stellschraube, aber damit lässt sich nicht die ganze Rollenverteilung neu ordnen. Dass die Skandinavier insgesamt trotzdem weiter sind, zeigt sich ja auch in der Corona-Krise.
Inwiefern?
Dort gibt es ein sehr starkes Bewusstsein dafür, dass Familien große Probleme haben, wenn Kitas und Schulen schließen. Die Verantwortlichen in diesen Ländern versuchen, diese Probleme mit oberster Priorität zu lösen. Bei uns in Deutschland sagt die Regierung dagegen: Na ja, die Familien müssen es eben irgendwie hinkriegen. Es wäre doch zum Beispiel jetzt auch lohnend, sich genau anzusehen, wie Dänemark es schafft, die Kitas wieder stärker zu öffnen. Aber dazu höre und lese ich hier kaum etwas, weil das Kinderthema in Deutschland eben sehr viel stärker Privatsache ist.
"Wir sollten uns Gedanken machen, wie Eltern von kommendem Herbst an unterstützt werden können"
Wie schaffen wir es, nach der Krise wieder mehr Gerechtigkeit zwischen Müttern und Vätern zu schaffen?
Das Wichtigste hier bei uns in Deutschland ist, dass die Kinder wieder zurück in die Kitas und die Schulen können und die Eltern insgesamt entlastet werden. Nur wenn der Staat die Kinderbetreuung mit übernimmt, ist es möglich, dass beide Elternteile Familie und Beruf vereinbaren können. Wir sollten uns auch frühzeitig Gedanken machen, wie Eltern von kommendem Herbst an unterstützt werden können. Viele Kinder haben dann fast dauerhaft eine Schnupfnase, sodass Eltern – sofern dann immer noch gilt, dass wir alle auch schon mit leichten Erkältungssymptomen zu Hause bleiben müssen – auch dann wieder vor großen Herausforderungen stehen werden, was die Kinderbetreuung angeht. Unabhängig von der aktuellen Krise sollten Anreize für eine partnerschaftliche Arbeitsteilung ausgebaut werden. Ein Ansatz kann eine Elterngeldreform sein, die die Vätermonate erweitert.
Paritätisch, also zur Hälfte Mama, zur Hälfte Papa?
Wir haben in einer Studie Eltern gefragt, was wäre, wenn wir die Partnermonate von zwei auf vier erhöhen? Sofern die Antworten der Väter ehrlich waren, sehen wir deutlich, dass zwei Drittel der Papas sagen, dann auch mehr Monate nehmen zu wollen. Einige Mütter würden weniger nehmen und früher in den Beruf zurückkehren. Aber: Drei Viertel der Mütter sagen, dass sie auch trotz so einer Reform mindestens ein Jahr in Elternzeit gehen wollen. Man muss es wohl so sehen: Bis 2007 war es üblich, dass die Mutter drei Jahre oder länger zu Hause bleiben. Nun ist der neue Standard ein Jahr – immerhin!
Was kann jeder für sich zu Hause für mehr Gerechtigkeit tun?
Als Paar kann man sich vornehmen, sich immer wieder zu reflektieren, wie die Rollenverteilung ist. Ich rate den Müttern, das auch einzufordern. Uns als Gesellschaft empfehle ich, dass wir den Kindern von heute dabei helfen, Rollenklischees zu hinterfragen. Das wird ihnen in Zukunft zugutekommen.
" Es wäre doch zum Beispiel
" Es wäre doch zum Beispiel jetzt auch lohnend, sich genau anzusehen, wie Dänemark es schafft, die Kitas wieder stärker zu öffnen. "
Dänemark hat schnell reagiert, schnell Schulen geschlossen, auch Grenzen, insgesamt souveräner mit der Situation umgegangen, s.d. sich die Menschen nicht so bevormundet fühlen mussten als das in D. der Fall ist.
Andererseits gibt es in den Niederlanden massive Ausschreitungen, s.d. der Blick zum Nachbar sich nicht immer lohnt, wenn man eigene Probleme hat, es sei denn, um nicht zusätzliche Probleme zu schaffen.
Ich denke, dass das Thema viel zu einseitig angegangen wird. Mir scheint vor allem, dass es darum geht, nicht allzu deutlich dort hinzusehen, wo die eigentlichen Zusammenhänge auszumachen sind, wo es also naturgegebene Unterschiede gibt, die selbst mit wissenschaftlichen Kriterien nicht wegzuleugnen wären. Einzig mit einer rein rationalen Einstellung könne man dies Thema bewältigen, wobei Familie als Beziehungsmodell ausgedient hätte . Glücklicherweise stirbt der Mensch als emotionales Wesen noch nicht aus, was zur Hoffnung genügend Anlass geben könnte.
" Spielen Geschlechterklischees eine Rolle? "
Ich finde viel interessanter, zu fragen : Was ist ein Klischee ?
Und was ist die Rolle, um die es dabei geht ?
" Oder daran, dass das Kind bald in die nächste Schuhgröße wächst. Haben Sie auch schon untersucht, wer das übernimmt?
Was im Kopf mitläuft, ist noch nicht so gut erforscht, "
Dafür sollte es auch keine Gelder geben.
" Es ist krass, wie schon kleine Kinder nach Mädchen und Jungs unterteilt werden. "
Ich finde das nicht krass. Ein Mädchen ist ein Mädchen, ein Junge eben ein Junge. Meistens hilft es nicht, aus einem Mädchen einen Jungen zu machen und umgekehrt, ebenso wenig, wie es gelingt, starke Homoneigung, oder divers in gewünschtes Gegenteil umzupolen. Hier werden Rollenklischees auffällig, weil sie eben nicht passen. Mädchen klettern auf Bäume, tragen Hosen, aber auch gerne Kleidchen, andereseits sind Jungen mit Kleid nicht nur ungewöhnlich, es ist einfach unpraktisch.
Ich lehne jede Einseitigkeit ab, soweit es geht, deshalb nervt mich auch diese furchtbar starre Genderforschung.
Ausnahemsituationen wie die Pandemie, erfordern praktische Lösungen, und es ist falsch, Erfahrungen zu generalisieren.
Wie wichtig Langzeituntersuchungen sind, kann man auch daran erkennen, dass kurzfristige Einschnitte sehr schnell wieder alte Mechanismen und Muster aktivieren können, dies aber nicht von endgültiger Dauer ist / sein muss. Lässt man die Familien damit allein, also mit der Organsitation ihres neuen Alltags, überfordert man sie selbstverständlich, denn auf eine solche Situation war niemand vorbereitet. Die Arbeitswelt kann sich dies zunutze machen, wiederum zum Nachteil der Familien, da ist Vorsicht geboten, aber die Dynamik einer Beziehung und Selbstbestimmung müssen berücksichtigt werden.
Der Mensch ist kein Versuchskaninchen, und keine Theorie schafft eine gesunde Realität. Die Beobachtungen der Wissenschaft dienen einer Annäherung an die Realität, nicht aber der Schaffung einer künstlichen Realität, an welche sich der Mensch anzupassen hat.
" Uns als Gesellschaft empfehle ich, dass wir den Kindern von heute dabei helfen, Rollenklischees zu hinterfragen. "
Noch besser wäre es, wir leben es ihnen vor. Mit allen Vor - und Nachteilen.
Ihre ganz eigene Entscheidung, ohne aufgezwungene neue Gendertheorie, ist die Grundvoraussetzung für ein gesundes Selbstbewusstsein.
Was ein Klischee ist, das riecht ein Kind auf lange Distanzen und reagiert mit Abwehr. Wer aufmerksam dafür ist, und sein Kind liebt, der kann entsprechend umlenken, und umdenken.
Eine Frage noch zm Abschluß: Wie animierend, b.z.w. wie hilfreich sind solche Genderthemen für die Leserinnnen in der erfolgreichen Bewältigung ihres Krisenalltags ? Fühlen Sie sich verstanden ?
Oder manipuliert ?
Oder sonstwie angesprochen ?
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