Begrüßungsgeld: Die Spieluhr
Sophie Kirchner
"Heimweh nach dem Kurfürstendamm"
Das spielt die Glocke von Ines Manuela Becker, 59. Für sie besiegelt die Spieluhr, dass Berlin vereint war.
Julia Steinigeweg
Julia Steinigeweg
20.09.2019

"Ich hab so Heimweh nach dem Kurfürstendamm", spielt die Glocke, Hildegard Knef. Natürlich kannte man das Lied im Osten, zu Hause und bei Autofahrten wurde immer viel gesungen. Musikerinnen wie Nina Hagen, die schrill und anders waren, fanden wir cool, denn die haben sich was getraut. Sie mussten ja ihre Texte alle abzeichnen lassen. Die konnten ja nie singen, was sie singen wollten. Dann wären noch viel schönere Lieder dabei rausgekommen. "Ich hab so Heimweh" ist eines der alten Berliner Lieder, die mochte ich schon immer.

Julia Steinigeweg

Sophie Kirchner

Sophie Kirchner, ­geboren in Ostberlin, war fünf Jahre alt, ­als die Mauer fiel. Die ­Erwachsenen um sie herum, sagt sie, seien damals so glücklich, so euphorisch gewesen – ­das habe ihr Angst gemacht. Seit 2014 ist das Begrüßungsgeld ihr Thema, sie fotografiert Ostdeutsche und deren Käufe – und fragt danach, was sie ­erlebt haben.

Der Kauf der Spieluhr war überhaupt nicht geplant. Wichtig war, Berlin war vereint, und die Glocke hat das besiegelt! Aber heute ist Berlin nicht mehr Berlin. Die Stadt ist eine Katastrophe geworden. Wenn ich die Straßen sehe, wo ich groß geworden bin, in Mitte, stimmt es mich traurig. Ich habe unheimliche Angst davor, dass ich mal überfallen werden könnte, und mache mir große Sorgen um meine ­Kinder. Meine Tochter muss lange arbeiten, jeden Tag fährt sie spät mit der S-Bahn nach Hause. Finanziell geht es mir schlecht. Das Einzige, was ich mir einmal im Jahr leiste, ist ein Wellness­urlaub in Polen mit meiner Freundin.

Was würden Sie sich heute kaufen, wenn Ihnen der Staat 100 Euro schenken würde?

Ich würde das Geld an ein Tierheim spenden.

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