"Dein Haar ist wie die Herde der Ziegen, die vom Gebirge Gileads herabspringen." (Hohelied 4,1)
Die lange, dichte, schwarze Haarpracht der jungen Israelitin wallt – so wie sich eine typisch orientalische Herde Schwarzhaarziegen bewegt, die eng gedrängt einen Hang herabsteigt. Verglichen wird die Bewegung, nicht das Haar selbst.
Thomas Staubli
Die abgebildete Scherbenmalerei um 1300 vor Christus zeigt, wie eine Tänzerin ihr Haar wie einen eigenen Körperteil inszeniert. Und wie das ihre erotische Ausstrahlung ausmacht.
Haare stehen in der Bibel für eine urwüchsige Lebenskraft. Sogenannte Nasiräer, die sich selbst Gott weihen wollten, ließen ihre Haare wachsen und tranken keinen Alkohol (4. Mose 6,3–5). Zum Beispiel der bärenstarke Simson, der seiner Geliebten, Dalila, in einer schwachen Minute verriet: "Würden mir die Haare geschoren, verließe mich meine Kraft." (Richter 16,17) In der Vorstellung vom langhaarigen Jesus lebte diese Tradition fort. Ebenso bei den jamaikanischen Rastafaris mit ihren Dreadlocks und den Hippies der 1960er Jahre.