chrismon: Ihre Studie hat gezeigt, dass 2017 erstmals seit der Wiedervereinigung mehr Menschen von Westdeutschland in die neuen Bundesländer gezogen sind als umgekehrt. Was heißt das in konkreten Zahlen?
Nikola Sander: Wir hatten - ohne Berlin - im Jahr 2017 von Ost nach West knapp 90 000 Umzüge und von West nach Ost 93 400. Da ergibt sich dieser kleine, positive Wanderungsgewinn des Ostens von etwa 4000 Personen.
Nikola Sander
Dominique Bielmeier
Was ist der Grund?
Vor allem wandern deutlich weniger Leute aus dem Osten ab - während die Zahl derjenigen, die von West nach Ost gezogen sind, über die Zeit relativ stabil geblieben ist.
Hat Sie das überrascht?
Ja. Aber wenn man sich die Daten anguckt, sieht man, dass dieser Rückgang relativ kontinuierlich verlaufen ist über die vergangenen Jahre. Ich würde auch sagen, es deutet sich an, dass die Wanderungsbewegungen zwischen Ost und West in Zukunft eher ausgeglichen bleiben könnten.
Welche Orte im Osten sind besonders beliebt bei Zuzüglern?
Das sind natürlich die großen Städte. Leipzig und Dresden haben deutliche Gewinne, sowohl aus den anderen ostdeutschen Landkreisen als auch aus Westdeutschland. Sie gewinnen unter den jungen Erwachsenen und haben keine nennenswerten Verluste bei den Familien. Berlin ist ein Sonderfall. Die Stadt verliert momentan gegenüber Brandenburg, weil vor allem Familien ins Umland ziehen und sich schon Potsdam in Brandenburg befindet.
Wie kommt es, dass mehr junge Leute in den neuen Bundesländern bleiben?
Es sind vor allem diejenigen, die eine Ausbildung beendet oder den Uniabschluss gemacht haben. Die Beschäftigung ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, während die Mieten im Vergleich zu Westdeutschland und auch zu Berlin noch relativ günstig sind. In der Vergangenheit sind vor allem die jungen Erwachsenen in die westdeutschen Großstädte abgewandert.
Welche Rolle spielt der demographische Wandel?
Man könnte denken: Die junge Bevölkerung in Ostdeutschland nimmt ab, also wandern proportional auch weniger Junge ab. Wir sehen aber, dass selbst diese Rate rückgängig war. Es ist also nicht alleine die Alterung der ostdeutschen Bevölkerung dafür verantwortlich.