Zu Weihnachten standen bei uns in der Gemeinde immer die Tütchen auf den Bänken für Brot für die Welt. Kurz vor dem Festschmaus einmal im Jahr an diejenigen denken, die nichts zu futtern haben? Das reicht nicht. Wobei es ja eigentlich auf diesem Planeten für alle reicht.
Eckart von Hirschhausen
Es ist so absurd, dass man täglich darüber heulen oder lachen müsste – oder beides. Während bei uns alle plötzlich über "kohlehydratarme Ernährung" reden und nicht wissen, ob ein verquerer Pups jetzt akute Gluten- oder Laktoseintoleranz bedeutet, wären in vielen Ländern der Erde die Leute froh über jede Scheibe Brot. Die eine Hälfte der Weltbevölkerung hat offenen oder versteckten Hunger. Die andere Hälfte ist auf Diät. Und wir können auch nicht mehr so tun, als ob das nicht zusammenhänge.
"Hier herrscht Glutenintoleranz. Und dort ist man froh um jede Scheibe Brot"
Im Urgebet der Christenheit steht nicht: "Unser täglich Schnitzel" – da steht: "Unser täglich Brot." Wenn wir täglich Fleisch essen, weil wir uns das leisten können, bedeutet das, jemand anderem nicht nur die Butter vom Brot zu nehmen, sondern auch noch das Brot zu klauen. Weil die Tiere Futtermittel bekommen, die besser Menschen essen könnten. Und eine Kuh kann auch öfter Milch geben als Steak. Darüber habe ich früher nie nachgedacht. Aber wenn man einmal verstanden hat, dass unser Wohlstand nicht nur auf dem Wirtschaftswunder, sondern auch auf Ungerechtigkeit basiert, passiert etwas mit unserem Denken.
Dafür bin ich ein Fan von Brot für die Welt. Ursprünglich sollte der Verein allen Ernstes "Lazarus vor Europas Tür" heißen. Gut, dass es anders kam. Ich bewundere die Entwicklung in der Kommunikation. Weg von der "Entwicklungshilfe", weg von den rein appellativen Bildern hin zu Werten und Bildern, über die man ruhig zweimal nachdenken kann. Plakate wie die "Würdesäule" bringen es in einem Bild auf den Punkt: Bildung ist auch "Nahrung" – für den Geist. Gesundheit folgt der Bildung. Und Bildung ist für viele der beste Ausstieg aus Armut, Ungerechtigkeit und Hunger.
Danke, dass es euch gibt. Ich wünsche mir eine Welt, in der ihr überflüssig geworden seid, weil wir den Überfluss dieser Schöpfung so verteilen, dass alle satt werden. Und alle Wasser haben. Das ist noch ein langer Weg. Aber wir sind unglaublich weit auf diesem Weg gekommen! Der Mehrheit der Menschen geht es heute besser als vor 50 Jahren und sogar vor 20 Jahren. Darum lasst uns das auch feiern und uns darüber freuen. Und dann: weitermachen.
Neu: Eckart von Hirschhausen/Tobias Esch: "Die bessere Hälfte. Worauf wir uns mitten im Leben freuen können." Auch als Hörbuch