In Georgien gibt es paradiesische Landschaften. Granatäpfel, Weinstöcke und Feigen wachsen eng beieinander. Am Straßenrand sind Berge von Melonen aufgeschichtet. Ich bin als Militärseelsorgerin mit Bundeswehrsoldaten in diesem Land. An einem Übungsplatz in der Nähe von Georgiens Hauptstadt Tiflis üben die Sodaten den Krieg. Das Szenario: In einem Hochhaus ist eine wichtige Person, die befreit werden muss. Gegnerische Truppen haben sich in den unteren Etagen verschanzt. Rauchschwaden, MG-Feuer, knappe Funksprüche. Die Soldaten kämpfen sich unter trommelndem Feuer mehrerer Maschinenkanonen durch die Ortschaft an das Hochhaus heran.
Barbara Reichert
Warum wir hier sind: Georgien strebt die Mitgliedschaft in der NATO an und unterstützt die NATO-Truppen in Afghanistan. In gemeinsamen Übungen gleicht man die Vorgehensweisen aneinander an. Hier in Georgien sind zurzeit Soldaten aus dreizehn Nationen dabei, darunter 160 Bundeswehrsoldaten, die ich als Seelsorgerin begleite. Ich stehe am Rand, sehe die reifen Granatäpfel am Baum hängen und habe Zeit, nachzudenken. Vor zehn Jahren fand der Fünftagekrieg zwischen Georgien und Russland statt. Im Konflikt um die beiden Regionen Südossetien und Abchasien wurden Hunderte Menschen getötet und Tausende verwundet. Gestern sprachen die Soldaten im Camp darüber mit dem Militärattaché: Die Provokationen auf beiden Seiten, wer hat angefangen? Wie stehen hier die Menschen dazu? Und wir selbst? Nicht abstumpfen, Fragen stellen und Verbindungen suchen, dazu ermuntere ich die Soldaten immer wieder. Wir sind hier Gäste. Und jeder Gast in Georgien ist ein Geschenk Gottes, sagt ein altes georgisches Sprichwort.