Heidi Anguria im Flüchtlingslager für Rohingyas in Bangladesch
Heidi Anguria im Flüchtlingslager für Rohingyas in Bangladesch
Privat
An die Hitze kann man sich nicht gewöhnen
Die Krankenschwester Heidi Anguria sorgt in Bangladesch mit dafür, dass Hunderttausende geflohene Menschen geimpft werden
Heidi AnguriaPrivat
20.08.2018

Zelte, so weit das Auge reicht. Staub, Hitze, Lärm, Geschäftig­keit, Enge. Dieses Lager am südostlichen Zipfel von Bangladesch wirkt wie eine riesige Stadt. Über 900 000 geflohene Rohingyas leben hier in selbst gebauten Behausungen aus Plastikplanen, Bambus und Lehm. Eine meiner Aufgaben: mithelfen, dass sie gegen Cholera ge
­impft werden. Innerhalb von sieben Tagen. Eine Mammutaufgabe. Aber es eilt. Bald beginnt die Regenzeit, und die Gefahr von Epidemien steigt. Zum Glück wird der Impfstoff geschluckt. Das geht deutlich schneller als spritzen.

Heidi AnguriaPrivat

Heidi Anguria

Heidi Anguria ist Kinderkrankenschwester aus Lübeck. Seit den 1990er Jahren engagiert sie sich für "Ärzte ohne Grenzen" und arbeitete unter anderem auf dem Rettungsschiff "Aquarius" sowie in Lankien im Südsudan. Im Sommer 2018 ist sie in Bangladesch und arbeitet in Cox’s Bazar in einem Camp für geflüchtete Rohingya. Heidi Amguria berichtet in einem Blog auf der Internetseite von Ärzte ohne Grenzen von ihren Einsätzen.

170 Impfteams mit insgesamt 800 Mitarbeitern und unzählige frei­willige Helfer sind vor Ort. Wir ar­beiten uns von Süden nach Norden vor. Ich bin für vier Teams zuständig. Morgens um viertel vor sieben hole ich den Impfstoff beim Gesundheitsministerium ab. Wir impfen an Orten, an denen viele Menschen zusammenkommen: Schulen, Nahrungsmittel­ausgabestellen, Moscheen, Gesundheitsstationen. Oder wir gehen von Haus zu Haus, was viel zeitauf­wendiger ist. Zusammen mit einem Mitarbeiter laufe ich den ganzen Tag von einem Team zum nächsten, bergauf, bergab, in einer Hitze, an die man sich nicht gewöhnen kann. Da hilft nur: trinken, trinken, trinken. Und ­immer weiterlaufen. Die Haare ­kleben mir am Kopf, der Schweiß rinnt ohne ­Unterlass, und obwohl ich dauernd trinke, muss ich nie auf die Toilette. Es bleibt keine Zeit zum Essen. ­Also gibt es eben Nüsse oder Gurken, die wir schnell auf einem der vielen ­kleinen Märkte kaufen.

Nicht nur wir, auch andere rennen 
gegen die Zeit an. Vor dem anrücken­den Monsun müssen Unterkünfte gesichert werden, Wasserstellen und Latrinen gebaut, Menschen innerhalb des Camps umgesiedelt werden. 
Einige Hänge sind bereits abgerutscht, es gab Tote und Verletzte. Und daneben holt die Flüchtlinge die Vergangenheit immer wieder ein. Frauen, die im Sommer 2017 – auf dem Höhepunkt des Konflikts in ­Myanmar – vergewaltigt und ­geschwängert wurden, gebären jetzt ihre Kinder. Sie bringen die Babys meist in ihren engen Zelten zur Welt, "zu Hause" mag ich gar nicht ­schreiben. Im Camp geborene Kinder bekommen keine Geburtsurkunde, haben keine Staatsangehörigkeit, erhalten keinen Flüchtlingsstatus.

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