Ich gebe seit einiger Zeit jugendlichen Migranten Schwedischunterricht. Die meisten sind Afghanen und kamen im Sommer 2015 hierher. Damals wurden sogenannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge noch mit offenen Armen empfangen. In der Zwischenzeit hat Schweden einen Kurswechsel in der Asylpolitik vollzogen. Meine Schüler warten zum Teil immer noch auf einen Bescheid, ob sie im Land bleiben dürfen oder nicht. Das ist nervenzehrend und wird besonders bedrohlich, wenn sich ihr 18. Geburtstag nähert.
Bis dahin sind Jugendliche in betreuten Gemeinschaftsunterkünften oder in Familien untergebracht, ein Vormund hilft ihnen unter anderem beim Asylantrag und bei Behördenkontakten. Mit der Volljährigkeit ändert sich ihre Lage völlig. Sie verlieren ihren Wohnplatz von heute auf morgen, man weist ihnen eine Unterkunft in anderen Landesteilen zu. Viele aber wollen die vertraute Umgebung nicht verlassen und landen auf der Straße. Wird ihr Asylantrag abgewiesen, wird der Abschiebeprozess schnell eingeleitet. Sie sind völlig allein auf sich gestellt.
Seit Herbst 2017 müssen meine Schüler zu medizinischen Untersuchungen, bei denen ihre Altersangaben überprüft werden. Auch ich als Lehrerin muss manchmal bestätigen, dass Schüler X wie ein 17-Jähriger denkt und handelt. Wenn die Behörde dann beschließt, dass er doch schon älter ist, geht alles sehr schnell. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass mich an einem Freitagnachmittag ein verzweifelter Jugend- licher anruft und fragt, ob ich nicht vielleicht ein Zimmer für ihn habe.
Sylvia Vonwirth verfasste zusammen mit der Diakonin der deutschsprachigen Gemeinde in Stockholm einen längeren Beitrag zu diesen Thema, der im Gemeindeblatt 1/2018 erschienen ist. Zu finden auf der Homepage der Gemeinde.