Fragen an das Leben. Urlich Matthes
Fragen an das Leben - Ulrich Matthes
Dirk von Nayhauß
"Ich versuche, halbwegs anständig zu sein"
Aber manchmal hat es nicht geklappt. Der Schauspieler Ulrich Matthes über Altersmilde, Nachsicht mit sich selbst und Liebe – "dieses einatmende Staunen".
Dirk von Nayhauß
26.04.2018

chrismon: In welchem Moment fühlen Sie sich lebendig?

Ulrich Matthes: Ich kann mich über alltägliche Dinge freuen. Kurzbegegnungen im Supermarkt: Mal mache ich ein Kompliment, oder ich sage: "Ich esse auch so gern Gewürzgurken. Kaufen Sie immer die von Kühne?" – ich quatsche gern ­andere Leute an und habe damit immer gute Erfahrungen ­gemacht. Lebendig fühle ich mich natürlich auch in meinem Beruf, das reine Spiel ist lustvoll. Als Kind erlebt jeder diesen Zustand: Ich bin jetzt Winnetou! Den kann man als Schauspieler dann verlängern. Man stellt eine Situation höchster emotionaler Intensität her, und danach tritt man wieder heraus. Als privater Mensch begebe ich mich genauso sehr in Gefühle hinein, in Euphorie wie in den großen Kummer.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Ich war auf dem Evangelischen Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin. Im Schulchor sangen wir "Hallelujah" von Händel. Und im Abitur hatte ich Religion als schriftliches Prüfungsfach, mich hat das interessiert. Gläubig bin ich aber nicht, bin es nie gewesen. Ich komme aus einer – ich glaube, Max Weber hat das so gesagt – religiös unmusikalischen Familie. Aber natürlich ist es möglich, dass es Gott gibt, was denn sonst?! Als meine Mutter mit mir im fünften Monat schwanger war, wurde sie von einem Auto angefahren. Sie ist 13 Meter durch die Luft geflogen, ­hatte einen Beinbruch, eine schwere Gehirnerschütterung. Und ich kam später auf den Tag genau gesund zur Welt. Seitdem sagt meine Mutter: "Schutzengel gibt es." Sie sagt immer wieder: "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es nichts gibt." Wenn jemand vehement die Existenz Gottes abstreitet, finde ich das vollkommen absurd.

Ulrich Matthes, © 2018 Dirk von NayhaußDirk von Nayhauß

Ulrich Matthes

Ulrich Matthes, ­geboren 1959, ist ­bekannt für sein ­eindringliches, ­intensives Spiel, etwa in seiner Rolle als Joseph Goebbels 
in dem Spielfilm 
"Der Untergang". Seit 
2004 gehört er zum Ensemble des ­Deutschen Theater Berlin. Matthes 
erhielt zahlreiche ­Auszeichnungen: ­Bayerischer Filmpreis, Gertrud-Eysoldt-Ring, Faust-Theaterpreis, Deutscher Hörbuchpreis, Grimme-Preis; zweimal war er ­Schauspieler des ­Jahres der Zeitschrift "Theater heute". ­Ulrich Matthes lebt ­
in Berlin.

Hat das Leben einen Sinn?

Tja. Ja und nein. Ich glaube nicht. Natürlich könnte ich sagen, der Sinn meines Lebens bestehe darin, möglichst menschenfreundlich zu sein und Gutes zu tun. Aber das hört sich wie eine Kalenderspruchweisheit an. Ich ­versuche halbwegs anständig wie moralisch vertretbar zu leben und mich nicht wie ein Schwein zu verhalten. Dass es ein paar wenige Situationen in meinem Leben gab, ­in denen ich es doch tat, gehört zum Menschsein dazu.

Muss ich den Tod fürchten?

Einen Zustand des Dahinsiechens fürchte ich sehr. Und den Tod mir naher Menschen, aber nicht den eigenen. Ob ich ohne Reue werde sterben können? Nein. Ich glaube nicht an diese Sätze in den Todesanzeigen: Ein erfülltes Leben geht zu Ende. Kein Leben ist erfüllt. Die vielen Möglichkeiten, die man hat, kann man, bei allem Be­mühen, nicht ausschöpfen.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Geliebt werden, aber selbst nicht lieben und umgekehrt – ich kenne das eine wie das andere. Es ist eine Zeit lang intensiv, leidenschaftlich, aber eben auch schmerzhaft. Insofern kann ich sagen: Glücklich machen einen nur die Phasen von gegenseitiger Liebe. Ich meine nicht, sich mal eben zu verknallen, sondern dieses einatmende Staunen, das etwas ganz Besonderes ist. Das habe ich, offen ge­standen, noch nicht so oft erlebt.

Haben Sie Nachsicht mit sich selbst?

Ja, habe ich. Auch mit anderen, wir geben uns doch alle Mühe. Mit dem Alter wird man großherziger gegenüber anderen Menschen, denen das Leben Narben geschlagen hat und die ihre schönen Momente haben wollen – genau wie man selbst. Das Dogma der zu schnellen Meinung ist eine Schwäche der Jugend.

Welchen Traum möchten Sie sich unbedingt noch er­füllen?

Gegen meine Reisefaulheit angehend eine große, lange ­Reise unternehmen! In Berlin, in meiner Wohnung, in meinem sozialen Umfeld fühle ich mich so wohl, dass ich oft, wenn ich die Möglichkeit hätte, ein paar Tage wegzufahren, doch wieder zu Hause bleibe. Schrecklich! Dabei bin ich als Student einmal drei Monate durch Europa gereist, das ist mir unvergesslich geblieben. Ich würde gern mal nach Australien und Neuseeland, die Landschaften müssen überwältigend sein. Vielleicht auch vier Wochen Safari in Afrika ­
oder durch den brasilianischen Urwald. Ich ahne aber, dass ich irgendwann auf dem Sterbebett sagen werde: "Nun warste doch nicht in Neuseeland, haste doch nicht gemacht."

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Das Interview mit Ulrich Matthes hat mir sehr gut gefallen, er kommt ja immer so als Fissling im TV. Hier war eine wunderbare Seite an ihm zu erkennen, man sollte nichts auf Äußerlichkeiten geben. Vieles empfinde ich genau wie er,
das dem Reisen und dem Sterben. Was für wunderbare Gedanken. Nur Berlin, die Stadt wäre nichts für mich. Ich liebe München.
Danke Chismon

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Mystische Erfahrungen und Wunderheilungen sind wichtiger als Gottesdienste. Gottesdienste kosten zu viel Geld. Es genügen diverse Veranstaltungen in kirchlichen Gemeindezentren. Es ist eine Reform des Christentums im Sinne der Pfingstbewegung nötig. Mehr dazu unter Öko-Theosophie (bitte googeln).