Ein Obdachloser schläft in der Bahnhofswartehalle in Tutzing
Ein Obdachloser schläft in der Bahnhofswartehalle in Tutzing.
Alessandra Schellnegger/picture alliance/SZ Photo
Nicht wegschauen ist schon ein Anfang
Soll ich Geld geben oder lieber einen Kaffee spendieren? Wann rufe ich den Notarzt? So können wir Obdachlosen helfen - wenn sie denn wollen
Portrait Manon Priebe, online-Redaktion chrismonLena Uphoff
24.01.2018

Hilfe holen?

Eine Person schläft im Winter draußen. Blick abwenden und vorbeigehen? Oder besser: Handy raus und sofort den Notruf wählen? Generell gilt:

  • Sprechen Sie die Person erstmal an.
  • Ist die Person bewusstlos und nicht anprechbar: 112 anrufen!
  • In anderen Fällen: Fragen Sie, ob sie helfen können. Manche Obdachlose wollen keine Hilfe, schon gar nicht von Fremden, und wollen auch in keine Notunterkunft. Vielleicht schauen Sie am nächsten Tag wieder an der Stelle vorbei und sehen nach, ob die Person immernoch friert.
  • Wenn Hilfe gewollt ist: 112 anrufen!

Wie soll ich mit Bettlern umgehen?

Zunächst: Betteln ist erlaubt und seit 1974 nicht mehr strafbar. Bei "aggressivem" Betteln kann man Strafanzeige wegen Nötigung stellen. Betrug liegt vor, wenn falsche Lebensumstände vorgetäuscht werden, gilt das als Betrug. Bei aggressivem Betteln kann ich Strafanzeige stellen. "Organisiertes Betteln" in "Banden" können Kommunen verbieten. 

Die Evangelische Obdachlosenhilfe (EvO) beantwortete die Frage 2013 so: "Es gibt kein richtiges und kein falsches Handeln." Der Schenkende könne sich frei entscheiden und "sich anrühren und sich im Innersten bewegen lassen". Ebenso könne der Beschenkte selbst entscheiden, ob er für das Geld Alkohol, Essen oder Nahrung für seinen Hund kaufe. "Denn wir sind frei in der Entscheidung und alle Gottes Kinder."

Der Bremer Obdachlosen-Seelsorger Harald Schröder befürwortet, Geld an Bettler zu geben, denn dass es "genügend staatliche, kirchliche oder sonstige Hilfsangebote gibt", stimme "schon lange nicht mehr". Er rät, mit den Bettlern auf AUgenhöhe zu sprechen. Und: "Sie dürfen ohne schlechtes Gewissen Nein sagen."

Heilsarmee-Major Alfred Preuß ist dagegen, Bettlern Geld zu geben. "Durch Almosen sorgen wir dafür, dass Menschen in ihrer prekären Situation bleiben". Er rät, den Bettlern echte HIlfe anzubieten, sie zur Schuldnerberatung zu begleiten oder die Ursachen der Not zu beheben." Sein Credo: "Almosen nein - Helfen ja."

Obdachlos? Oder ohne Wohnung?

Obdachlos sind Menschen, die keinen festen Wohnsitz und keine Unterkunft haben. Sie übernachten im öffentlichen Raum wie Parks, Gärten oder U-Bahnstationen.

Wohnungslos sind alle Menschen, die in einer Notunterkunft oder einer stationären Einrichtung der Wohnungslosenhilfe leben oder in einer kommunalen Einrichtung übernachten. Sie haben also "keinen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum"  Wohnungslose Menschen schämen sich oft für ihre Situation und bemühen sich, nicht als wohnungslos erkannt zu werden. Deswegen fällt Wohnungslosigkeit in der Gesellschaft nicht unbedingt auf. (Quelle: Diakonie Deutschland)

Evangelische Wohnungsnotfallhilfe: für Menschen, die von Wohnungsverlust bedroht oder betroffen sind 030/65 211 1652

Niemand muss obdachlos sein. Oder?

In der Theorie stimmt das. Tatsächlich sind Kommunen verpflichtet, "Schlafnotstellen und Wohnraum zur Vermeidung von Obdachlosigkeit zur Verfügung zu stellen". Das Problem: Es fehlt an echtem, bezahlbarem Wohnraum. Dazu komme, dass viele obdachlose Menschen keinen Ausweis oder Geburtsurkunde haben. Und ohne diese gibt es häufig keine sozialen Leistungen, die ihnen zustehen; fasst die Caritas das Problem auf ihrer Website zusammen

Zahlen

Es gibt keine offizielle Statistik, wie viele Menschen wohnungslos sind. Die Berliner Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. schätzt, dass im Jahr 2016 860.000 Menschen ohne Wohnung waren. Für 2018 rechnet die BAG Wohnungslosenhilfe mit 1,2 Millionen Wohnungslosen.

Kältebusse und andere Hilfsangebote

Kältebusse fahre durch viele größere Städte und bieten obdachlosen Menschen an, sie in eine Notunterkunft zu fahren, und verteilen Decken und warme Getränke. Für Notfälle sind diese Nummern in der Regel jedoch nicht geeeignet!

Berlin
Kältebus der Stadtmission 0178/5 23 58 38 (1.11– 31.3. täglich unterwegs von 19 bis 3 Uhr),
Wärmebus 0170/910 00 42 (1.11.– 31.3. täglich unterwegs von 18 bis 24 Uhr)
Kältebus des Roten Kreuzes 0170/9 10 00 42

Düsseldorf
GuteNachtBus 0157/83 50 51 52

Frankfurt
städtische Hotline für soziale Notlagen 069/212 70070
Kältebus 069/43 14 14

Hamburg
Hotline der Sozialbehörde: 040 / 42828 5000 (Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr)

Köln
Not-Telefon 0221/44 10 26

Krefeld
Obdachlosenhilfe linker Niederrhein 0163/1 45 28 11

Mainz
Die Platte 0172/61 28 28 2

Rostock
Obdachlosenhilfe 0381/69 73 82

Stuttgart
Kältebus 0711/219 54 77 6

Wenn Sie einen Obdachlosen sehen, der dringend Hilfe benötigt: wählen Sie die Notrufnummer 112.