chrismon: Erinnern Sie sich noch an die Aktionen Ihrer Familie?
Charles Aznavour: Ja. Meine Aufgabe war es, die Uniformen der Deserteure wegzuwerfen.
Sie halfen auch Juden.
Aznavour: Ein Simon kam zu uns über seine armenische Frau Carmen. Ein anderer stammte aus Aserbaidschan. Sie bekamen unsere Matratzen, meine Schwester und ich schliefen auf dem Boden. Die Gestapo suchte Juden frühmorgens, während der Ausgangssperre. Auch mein Vater und ich versteckten uns zeitweilig und übernachteten in einem Hotel gegenüber. Morgens verkündete meine Schwester: "Sie sind weg, ihr könnt zum Frühstück kommen."
In Ihren vielen autobiografischen Büchern erzählen Sie nur wenig davon. Warum?
Aznavour: Ich mag eitle Menschen nicht. Als Sänger bin ich gar nicht bescheiden, sonst aber im Leben. Sie sind Franzose und armenischer Staatsbürger.
Wie wichtig ist für Sie Ihre Herkunft?
Ich sage Armeniern oft, sie sollen sich an Juden ein Beispiel nehmen. Egal, wann und wo Sie Juden nach Israel fragen – sie können etwas erzählen. Längst nicht alle Armenier kennen ihre Geschichte. Dabei müssen Menschen wissen, woher sie stammen. Eltern sollen Religion und Muttersprache weitergeben. Die Religion hält die Kinder auf dem richtigen Weg, die Sprache öffnet ihnen die Welt.
Die Religion hält sie auf dem richtigen Weg?
Aznavour: Gott hat viele Namen: Dieu, Allah, Shiva. In Gottes Namen zu kämpfen ist Sünde. Gott fordert niemanden auf, Menschen umzubringen.
Wie wichtig ist Ihnen, ob die Türkei den Genozid an den Armeniern anerkennt?
Aznavour: 1,3 Millionen Menschen wurden getötet. Wenn das kein Genozid ist, sollen sie einen anderen Begriff dafür finden. Ich kenne keinen.